Der falsche Kaiser Friedrich auf dem Kyffhäuserberg
Miniatur in der Welfenchronik, letztes Viertel 12. Jh.
Die recht lange währende Regierungszeit und das Wirken Friedrich I. Barbarossa (reg. 1152 – 1190) hat bei den Menschen seiner Zeit wohl mehr positive als negative Sichtweisen hinterlassen, so dass dieser Kaiser als Idealbild eines Herrschers angesehen wurde. Daher nachvollziehbar, dass nach dem Tod seines Enkels Friedrich II. im fernen Süditalien und den sich schon zuvor ausbreitenden Wirren im Reich, Sehnsuchtsgedanken an die gute alte Zeit und einen energischen Kaiser wach wurden.
Die daran anknüpfende Geschichte vom schlafenden Kaiser Friedrich im Kyffhäusergebirge ließ die Kenntnis um die bedeutsamsten Stauferkaiser im Volk nicht verblassen.
Möchtegern-Kaiser Kolup fand keine Gnade
Von Zeit zu Zeit traten immer wieder Männer auf, die sich gegenüber dem einfachen Volk als auch Stadtbürgern und dem Adel als wiedererstandener Kaiser Friedrich Barbarossa oder dessen Enkel ausgaben. Einem unter ihnen, genannt Tile Kolup, gelang dies so überzeugend, dass letztlich der regierende König Rudolf I. (reg. 1273 – 1291) gegen ihn vorgehen musste. Seinen »Auftritt« als Kaiser Friedrich II. büßte er hart. Im Jahre 1185 wurde er verbrannt.
Zahlreiche Zeitgenossen strömten nach Kyffhausen
Während Tile Kolup weit ab vom Kyffhäusergebirge in Neuss und Wetzlar aufgetreten war, zeigte sich der Schneider Johannes Leupold 1546 in der ruinenhaften Burganlage Kyffhausen den Menschen als vermeintlicher Kaiser Friedrich. Sein Auftreten war eher unspektakulär. Vier Tage hauste er auf dem Kyffhäuserberg, Tag und Nacht an einem Feuer kauernd, wunderliche Reden haltend über Königreiche und Kaisertum. Dennoch, die Einwohner aus Städten und Dörfern rings um den Berg gelegen, strömten in großer Zahl in die Burgruinen, um ihn zu sehen und zu hören. Die Gemüter waren erregt und das Gemurmel vom auferstandenen Kaiser Friedrich Barbarossa wollte nicht verstummen.
Graf nahm sich nur widerwillig der Sache an
Graf Günther XL. von Schwarzburg (reg. 1525/26 - 1552), genannt der Reiche, sah dem Treiben zunächst abwartend zu. Ein befürchteter Aufruhr schien sich nicht anzubahnen. Kein Aufbegehren wie in den Tagen des Bauernkrieges 1525. Zudem hatte sich Graf Günther erst zwei Jahre zuvor mit den Frankenhäusern friedlich verglichen. Vorbei der Groll der Einwohner wegen des einst maßlosen Begehrens der schwarzburgischen Grafen nach dem Gewinn aus dem Salzgeschäft. Eher ungewollt musste sich Graf Günther der Angelegenheit, die er lieber ausgesessen hätte, annehmen.
Einer seiner Oberlehnsherren, Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige (1503 - 1554), kamen die Reden des falschen Friedrich zu Ohren und er entsandte seinen Rat und Kämmerer Hans von Ponickau (1508 - 1573) ins Kyffhäusergebiet, Erkundigungen einzuziehen. Schließlich hatte Johannes Leupold den Zuhörern eingeredet, die kaiserliche Herrschaft im Reich kraftvoll zu entfalten, die Osmanen, die Türken von den Grenzen des Reiches fern zu halten und auch noch das Heilige Land von den Ungläubigen zu befreien.
Die Sache mit dem Kaiser kam dem evangelischen Kurfürsten gelegen, lag er doch in Glaubensfragen mit dem katholischen Kaiser Karl V. mächtig im Streit. Und die Angst vor den Osmanen bzw. Türken saß tief, nicht nur im Volk. Die Erhebung der Türkensteuer spülte viel Geld in die Kassen, das eigentlich dem Kaiser zustand, doch nur allzu gern von den Landesherren selbst verwaltet wurde. Die Entsendung einer seiner bewährtesten Ratgeber veranschaulicht deutlich, welche Bedeutung das Treiben des falschen Friedrich für den Kurfürsten besaß.
war von 1532 bis 1547 Kurfürst und Herzog von Sachsen
Leupold zum Verhör nach Sondershausen
Graf Günther suchte seinen Oberlehnsherren, Kurfürst Johann Friedrich, zu beruhigen. Leupold, der aus (Bad) Langensalza stamme, sei ein verwirrter Mann. Bereits der Rat von Langensalza hätte ihn einst gefangengesetzt, schließlich für wahnwitzig und irre erklärt und freigelassen. Für nicht schuldfähig würde ihn auch Graf Wilhelm IV. von Henneberg halten, der ihn jüngst erst zusammen mit einigen Widertäufern einsperrte und kurz darauf doch wieder laufen ließ. Um von Ponickau keine unliebsamen Erkenntnisse gewinnen zu lassen, beauftragte Graf Günther seinen in Frankenhausen weilenden Landvogt, den falschen Friedrich vom Kyffhäuserberg in seine Residenz nach Sondershausen zu bringen. Nach kurzem Verhör und ohne den Abgesandten des Kurfürsten zu erwarten, setzte er den Langensalzaer Schneider Leupold auf freien Fuß.
Keine große Sache für Günther – aber nicht für den Kürfürst
Johannes Leupold hatte gegenüber manchem anderen falschen Friedrich Glück. Ihm nutzte die verzwickte Lage des Grafen. Denn dieser war zugleich dem Kurfürsten als auch Kaiser Karl V. zu Treue und Gehorsam verpflichtet. Im Streit zwischen Kurfürst und Kaiser wollte Graf Günther sich auf keine Seite schlagen. Würde er dem Kurfürsten zu Diensten sein, könnte dies womöglich kaiserliche Ungnade nach sich ziehen. Also war es besser, die ganze Angelegenheit ohne viel Aufhebens aus der Welt zu schaffen.
Das Handeln Graf Günthers zog ihm nun allerdings den Unwillen des Kurfürsten zu. Während der Schneider seiner Wege ging – eine weitere Offenbarung von ihm als Kaiser Friedrich Rotbart ist nicht überliefert worden – lernte Graf Günther schon wenig später seinen kurfürstlichen Oberlehnsherren richtig kennen. Im Schmalkaldischen Krieg tendierte Günther deutlich zum Kaiser. Kurfürst Johann Friedrich rückte unversehens in seine Lande ein, besetzte Frankenhausen und Sondershausen und ließ ihn schnellstens zu Karl V. flüchten. Bekanntlich ging der Krieg zu Ungunsten des Kurfürsten aus, der Teile seines Landes verlor. Graf Günther dagegen kehrte unversehrt in seine Grafschaft zurück. Am Glauben des Volkes an einen starken Kaiser und an eine bessere Zeit rüttelte er zu keinem Zeitpunkt.