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Gerberhandwerk

Das Gerben, die Verarbeitung von Fellen zu Leder, gehört zu den ältesten handwerklichen Tätigkeiten des Menschen. Entsprechend den verschiedenen Herstellungstechniken von Leder erfolgte wahrscheinlich im Mittelalter eine zunehmende Spezialisierung in diesem Handwerkszweig. Nach den in Mitteleuropa üblichen Gerbverfahren etablierten sich Loh-, Weiß- und Sämischgerber. Namengebend für die einzelnen Gerbergruppen war die Art der verwendeten Gerbmittel. Lohgerber benötigten zur Bearbeitung für das von ihnen hergestellte Leder zerkleinerte Fichten-, Eichen- oder Weidenrinde, die sogenannte Lohe. Sie stellten z.B. Leder für Sättel, Zaumzeug, Sohlen und Schuhe her. Weißgerber hingegen produzierten durch die Verwendung von Alaun die feineren, weichen Ledersorten, die insbesondere zu Jacken, Westen, Hosen und Handschuhen weiterverarbeitet wurden. Die Sämischgerber wiederum erzeugten durch die Anwendung von Fett und Tran die wasserabweisenden Ledersorten, vor allem für Stiefel.

Gerbereiviertel Frankenhausen

In den großen deutschen Städten schlossen sich die Gerber bereits ab dem 14.Jh. zu eigenständigen Zünften (Innungen) zusammen. 1627 erhielten die Frankenhäuser Weiß- und Sämischgerber ein zusätzliches Privileg, welches sie zum Handel mit Kalbs-, Bock- und Schafwolle berechtigte. Zu diesem Zeitpunkt scheinen sie auch in unserer Stadt die Rechte einer Innung besessen zu haben. Jedenfalls waren aber beide Handwerke in einer Zunft vereinigt. Da immer mindestens drei Handwerksmeister in einem Ort tätig sein mussten, um sich zunftmäßig organisieren zu können, werden auch in Frankenhausen zumindest 3 Meister ihrer Arbeit als Weiß- oder Sämischgerber nachgegangen sein. Dagegen ist uns das Datum der Innungsgründung der Lohgerber genauestens bekannt. Am 4.Juni 1685 bestätigte ihnen der Landesherr Graf Albert Anton von Schwarzburg-Rudolstadt (1641 - 1710) ihre Innungsordnung.

Streit der Müller und Gerber über 2 Jahrhunderte hinweg

Gleich anderen Städten gab es auch in Frankenhausen ein sogenanntes „Gerber-Viertel“ (siehe Karte oben), welches sich außerhalb der Stadtmauer im Bereich um den heutigen Untergelgen erstreckte. Ihre Ansiedlung vor den Toren der Stadt lag zum einen an der starken Geruchsbelästigung und zum anderen an der Verschmutzung der Gewässer durch das Waschen der Häute. Dieser Sachverhalt war unter anderen ein wichtiger Punkt in der Innungsordnung. Dennoch führten die Wassernutzungsrechte immer wieder zu gerichtlichem Streit, vor allem mit dem Müller der Marktmühle, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft in der heutigen Mühlgasse befand. Die Gerber nutzten nicht nur das Wasser des offen verlaufenden Gelgen zum Waschen der enthaarten Tierhäute, sondern auch dasjenige des parallel dazu fließenden Mühlgrabens. Das führte regelmäßig dazu, dass der Mühlgraben aufgestaut und dadurch sich das Mühlrad langsamer drehte. Die Schlichtung des Streites zwischen Gerbern und Marktmüller ergab fast immer die Anordnung, die Arbeiten beider aufeinander abzustimmen. Allerdings hielt sich keiner von beiden daran, so dass der Streit rund zwei Jahrhunderte andauerte.

Da das Lohgerben ein sehr aufwendiger Prozess war (der Gerbprozess zäher Häute dauerte 3 Monate bis mehrere Jahre), benötigten diese Handwerksmeister eine angemessene finanzielle Ausstattung und gehörten somit zu den vermögenden Bürgern der Stadt, die in der Regel Sitz und Stimme im Stadtrat besaßen.

Die von der Landesherrschaft erlassene Innungsordnung verpflichtete nicht nur die Frankenhäuser Metzger, sondern auch die in den umliegenden, zur schwarzburgischen Herrschaft gehörenden Dörfern tätigen Metzgermeister, ihre Felle zuerst den Frankenhäuser Gerbern zum Kauf anzubieten. Allerdings reichten die auf diese Weise eingehenden 1500 bis 2000 Felle nur zur Deckung des Bedarfes eines Meisters. Die fehlende Anzahl musste auf den Warenmessen in Leipzig, Braunschweig und Nürnberg zugekauft werden. Hier erfolgte gleichzeitig der Absatz eines Teiles des erzeugten Leders.

Mechanisierung setzt ab 2. Hälfte des 19. Jh. ein

Die Zahl der Gerbermeister blieb vom 17. bis in die 2. Hälfte des 19.Jh. relativ stabil, da sich das Handwerk aus eigenem verdienstsicherndem Interesse gegen eine Erhöhung der Innungsmeister stellte und die Gerberei fast ausschließlich vom Vater auf den Sohn oder Schwiegersohn überging. Die Lohgerber zählten 4 - 6 Meister, die Weiß- und Sämischgerber 5 - 8 Meister. Jedem Meister war maximal die Beschäftigung von 3 Gesellen und zwei Lehrjungen erlaubt. Nach einer 3-5jährigen Lehrzeit absolvierte der „Junggeselle“ eine 2-4jährige Gesellenwanderung, die ihn unter anderem in die deutschen Gerberzentren Nürnberg, Frankfurt/ Main, Leipzig oder Breslau führten.

Bis zur Einführung der Gewerbefreiheit im Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt im Oktober 1864 behielt die Gerberei einen rein handwerklichen Charakter. In den folgenden zwei Jahrzehnten versuchen einige Meister ihr Geschäft auszudehnen und mehr und mehr Gesellen erlangen ihren Meister und machen sich selbständig. Konjunkturell bedingte Krisen, zunehmende Maschinisierung in Großbetrieben und die sinkende Nachfrage im regionalen Schuhmacherhandwerk bedingt durch die Errichtung von Schuhfabriken in größeren Städten zwingen nicht wenige der in kleinen Werkstätten produzierenden Gerber zur Aufgabe. Einige von ihnen wandern nach Übersee (Argentinien, USA, Brasilien) aus, oder wechseln als Lohnarbeiter in die Lederfabriken in den großen Städten. Betroffen sind davon in Frankenhausen in erster Linie die Lohgerber, von denen nur die 1804 gegründete Lohgerberei und Lederhandlung Hugo Meyer in der Erfurter-Straße mit Inhaber und einem Gesellen verbleibt.

Erste Glacélederfabrik in Frankenhausen

Dagegen beschert die steigende Nachfrage nach Lederhandschuhen für Damen wie Herren dem Weißgerberhandwerk einen unerwarteten Neubeginn. Ende der 70er Jahre des 19.Jh. entstand in Frankenhausen die erste Glacélederfabrik, die Ziegen- und Schafleder zu Handschuhen verarbeitet. 1899 sind es bereits 4 Fabriken, von denen die Firmen „Ernst Otto“, „Louis Rabitz“ und „Moritz Pöhle“ die bekanntesten waren und teilweise auf ältere Weißgerberwerkstätten zurückgingen. Entsprechend steigt auch die Zahl der darin beschäftigten Frankenhäuser Weißgerber:

JahrBeschäftigte
1899 55
1905 67
1910 88
1923 134
1929 45

Weitere Gerbereiarbeiter kamen aus den umliegenden Ortschaften, z.B. Rottleben und Seehausen. Daneben gab es noch bis in die 20er Jahre einige selbständige Weißgerbermeister.

Krankenunterstützungskasse

Die Arbeit in der Gerberei war nicht leicht und führte häufig auch zu Erkrankungen. Besonders das lange Stehen im Wasser hatte Erkältungen und rheumatische Erkrankungen zur Folge. Das bewog die Gerber am 22. November 1884 zur Gründung der „Gerber Krankenunterstützungskasse zu Frankenhausen“. Diese zahlte z.B. ab dem dritten Tag einer Erkrankung ein Krankengeld von 55 Pfennig pro Tag für Erwachsene und 30 Pfennig pro Tag für Jugendliche. Weiterhin gab es finanzielle Unterstützung beim Kauf der verordneten Arzneimittel.

Nach dem ersten Weltkrieg wurden die Firmen „Moritz Pöhle“ und „Louis Rabitz“ von auswärtigen Konkurrenzbetrieben aufgekauft und auf Zulieferarbeiten für das Stammhaus umgestellt. Die schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse in den 20er Jahren zwangen die Firmen anfangs zu vorübergehenden Betriebsstillegungen, später auch zur Betriebsaufgabe. 1923 schließt die Firma „Ernst Otto“, 1926 die Firma „Moritz Pöhle“ und 1929 die Firma „Louis Rabitz“. Die Produktion der beiden letztgenannten wurde in die Stammhäuser der neuen Inhaber verlagert. Von den daraufhin zahlreichen arbeitslosen Gerbern schlossen sich einige zusammen und gründeten am 1.März 1927 die „Frankenhäuser Lederwerke e.GmbH“, eine Weißgerberei, die auf genossenschaftlicher Basis geführt wurde. Der neu gegründete Betrieb pachtete zunächst die leerstehenden Gebäude der Glacélederfabrik Pöhle.

1930 wurde die Produktion in das Anfang der 20er Jahre errichtete Fabrikgebäude der ehemaligen Firma „Louis Rabitz“ verlagert, das später auch käuflich erworben wurde. Die Fabrikanlage stand auf dem Gelände am Untergelgen, auf welchem bis vor wenigen Jahren die Gebäude der Schuhfabrik (ehemals Paul Schäfer, siehe Bild) standen.

Die Zahl der Genossenschaftsmitglieder und Beschäftigten stieg von Jahr zu Jahr wieder an, konnte aber bei weitem nicht mehr alle vormals arbeitslos gewordenen Gerber in Arbeit bringen.

Zahl der Beschäftigten:

JahrBeschäftigte
1929 19
1933 28
1935 34
1936 30

Auch in den 30er Jahren war nicht immer für volle Beschäftigung gesorgt. Teilweise gab es nur Aufträge für 6-7 Wochen Arbeit. Danach konnte die Produktion wieder für 1-2 Monate stilliegen. Jedoch konnte die Firma in ihrer Existenz soweit gesichert werden, dass ihr Bestehen von Dauer war.

Ulrich Hahnemann

Literatur- und Quellenangaben:

Stadtarchiv Bad Frankenhausen: Aktenbestand „Handwerk, Handel, Gewerbe“ - Akten-Nr.: 1/X - 22, 23, 24, 25, 26, 27, 271, 290, 293 und 307.
Adress- und Geschäftshandbücher (Frankenhausen): 1899, 1906 und 1910.
Frankenhäuser Zeitung vom 29.10. 1937.
R.Reith: Lexikon des alten Handwerks, München 1990.

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