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Baumeister

Johann Moritz Richter, der Jüngere (1647-1705)

 

Am 10. Oktober 2003 jährt sich zum 300. Mal die Weihung der Unterkirche in Bad Frankenhausen. Man schrieb den 10. Oktober des Jahres 1703, als nach einer Bauzeit von etwas mehr als 12 Jahren die neu errichtete Hauptkirche der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde Frankenhausen feierlich geweiht werden konnte.

Bereits in der Vergangenheit hat dieses Ereignis vielen Autoren den Anlass geboten, dem Gebäude mehr als nur einige Zeilen zu widmen. Doch ganz gleich ob der jeweilige Autor ein Historiker, Kunsthistoriker oder Heimatforscher war oder in den Diensten der Kirche stand, keiner hat sich intensiver dem Architekten des Gebäudes oder, wie man damals zu sagen pflegte, dem Baumeister zugewandt. Kaum eine der Veröffentlichungen geht über den lapidaren Satz »Die Leitung des Baugeschehens wurde dem Baumeister Richter aus Jena übertragen« hinaus.

Damit wird man den Leistungen dieses Mannes und seinen Verdiensten um den Bau der Kirche nicht gerecht. Johann Moritz Richter, genannt der Jüngere, war keineswegs nur ein schlichter Bauleiter - er war für seine Zeit, wie wir heute sagen würden, ein Stararchitekt. Und dass er sich überhaupt dazu bereitfand, in unserer Stadt eine Kirche zu bauen, ist eng mit seiner Lebensgeschichte und den politischen Verhältnissen im damaligen Thüringen verknüpft.

Schloss Rathsfeld
Bild: Regionalmuseum
Unterkirche (Ostansicht)
Bild: Regionalmuseum

Johann Moritz Richter wurde 1647 als Sohn des Fürstlich sächsischen Landbaumeisters Johann Moritz Richter (1620-1667) in Weimar geboren. Zur Unterscheidung von Vater und Sohn wurden später die Zusätze »der Ältere« und »der Jüngere« gebraucht. Sein Vater stand bereits in jungen Jahren in Diensten des Herzogs Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar (1598-1662), der ihm eine gute Ausbildung zum Baumeister zuteilwerden ließ. Dies bezog sich sowohl auf Zivil- als auch Militärbauten. Zur Unterscheidung beider Bereiche war im frühen 17. Jahrhundert in Deutschland die Bezeichnung »Ingenieur« für den Baumeister von Festungsanlagen gebräuchlich. Dagegen bezeichnete der Begriff »Baumeister« den Architekten ziviler Bauten. J. M. Richter d. Ä. vereinigte beides in einer Person.

So erhielt er nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges von Herzog Wilhelm IV. den Auftrag zur Vollendung des Weimarer Schlosses, der sogenannten Wilhelmsburg. Der Bau des Schlosses, der im Wesentlichen bis 1662 abgeschlossen wurde, beinhaltete natürlich auch die Errichtung einer Schlosskapelle. Diese blieb bei weitem nicht sein einziger Kirchenbau. 1651 errichtete er die Kirche in Rastenberg, 1660/61 die Kirche in Ruhla. Zuvor hatte er auch beim Bau von Schloss Friedensstein in Gotha mitwirken können (Bauzeit 1643-1651).

Durch verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Herzögen von Sachsen-Weimar und Sachsen-Zeitz, letztere eine Nebenlinie der Kurfürsten von Sachsen, erhielt er den Auftrag zu Planung und Bau von Schloss Moritzburg in Zeitz (Bauzeit etwa 1657 - 1678). Auch hier beinhaltete sein Antrag den Bau einer Schlosskirche (begonnen 1664). Mit dieser Schlossanlage noch lang nicht fertig, erreichte ihn der Ruf von Herzog August von Sachsen-Weißenfels (1638 - 1680), ebenfalls einer Nebenlinie der Kurfürsten von Sachsen angehörend, nach Weißenfels zu kommen. Sein 1661 vorgelegter Plan zum Bau des heutigen Schlosses Neu-Augustenburg wurde vom Herzog angenommen. Besondere Bedeutung für die Frankenhäuser Unterkirche sollte die von ihm geplante Schlosskapelle erlangen, deren Grundstein 1663 gelegt und deren Einweihung 1682 begangen wurde. Von den Kunsthistorikern wird gerade diese Schlosskirche »als mustergültige Lösung eines protestantischen Kirchenraumes (Saalbau mit Emporen) gerühmt«.

In Jena, wo die Familie ein Haus erwarb und sein Sohn J. M. Richter der Jüngere später lebte und von Frankenhäuser Bauleuten der Unterkirche zum Empfang von Instruktionen aufgesucht wurde, baute er Brücken, an der Universität und am Schloss, das Jahrhunderte später dem Ausbau der Universität weichen musste. In der Universitätsstadt betätigte er sich jedoch auch als Unternehmer, indem er eine Schneidemühle und eine Kalk- und Ziegelhütte betrieb. Letztere sollte auch für den Bau der Unterkirche Bedeutung erlangen. Kamen doch von hier zwei erfahrene Steinmetze zu uns, um im Nacken in der Windleite Steine zu brechen und zu bearbeiten.

Aber auch in unserer näheren Umgebung wurde J. M. Richter d. Ä. aktiv. Nach einer Erbteilung 1656/57 der albertinischen Linie der Wettiner oder leichter gesagt, einer Landesteilung des Kurfürstentum Sachsen gehörten Orte wie Heldrungen, Sangerhausen, Querfurt und Wendelstein zum Herzogtum Sachsen-Weißenfels. Im Auftrage des Landesherrn erarbeitete Richter d.Ä. Pläne zum Wiederaufbau der im Dreißigjährigen Krieg zerstörten Festung Heldrungen (1666), dem festungsartigen Ausbau von Querfurt oder der Burg Wendelstein zu einer Jagdresidenz für das herzogliche Jagdrevier im Ziegelrodaer Forst. Zwar wurden nicht alle Pläne detailliert umgesetzt, dazu fehlte dem Herzog das Geld, doch beeinflussten die Entwürfe Neu- und Umbauten.

Stehen heute auch nicht mehr alle von ihm errichteten Bauten (das Schloss in Weimar brannte 1774 ab und wurde neu aufgebaut, erhalten ist im Wesentlichen nur die Schlossbrücke; auch die Kirche in Rastenberg brannte im 19. Jh. nieder und musste neu aufgebaut werden), so sind sie noch immer ein beeindruckendes Zeugnis für die bautechnischen Fähigkeiten von J. M. Richter d. Ä. Das blieb natürlich nicht ohne Auswirkungen auf seinen gleichnamigen Sohn, der auf den zahlreichen Baustellen des Vaters anwesend gewesen sein dürfte. Dafür spricht, dass er nach dem Tod seines Vaters wichtige Baustellen sofort übernahm und die begonnenen Bauten erfolgreich zu Ende führte und diese Leistungen ihm schließlich den Weg in schwarzburgische Dienste ebneten.

Bevor Johann Moritz Richter der Jüngere erfolgreich in die Fußstapfen seines Vaters treten konnte, scheint dieser für eine gute Ausbildung seines Sohnes gesorgt zu haben. 1663, mit etwa 16 Jahren ließ er sich an der Universität Jena immatrikulieren. Zu diesem Zeitpunkt wohnte die Familie Richter wahrscheinlich schon in Jena, wo sie in der Schlossgasse ein Haus besaß. Für das in unmittelbarer Nachbarschaft entstandene Schloss trug J. M. Richter d. Ä. die bauliche Verantwortung.

Zu Beginn des 20. Jh. musste das baufällige Gebäude einem Neubau der Jenaer Universität weichen, dem heutigen Hauptgebäude der Friedrich-Schiller-Universität. Von Jena aus begleitete J. M. Richter d. J. seinen Vater auf dessen Baustellen, von denen diejenigen in Weißenfels und Zeitz die größte Bedeutung für seine zukünftige Entwicklung zu einem erfolgreichen Baumeister hatten. Dennoch dürfte es eine kleine Überraschung darstellen, dass er nach dem Tod des Vaters 1667, im Alter von 20 Jahren, mit der Fortführung des Baues von Schloss Neu-Augustusburg in Weißenfels betraut wurde. Kurz nach Übertragung der neuen Aufgabe lieferte er den Plan für das zweite Obergeschoss des Schlosses. Gleichzeitig wurden die Arbeiten an der bereits von seinem Vater geplanten Schlosskirche fortgesetzt.

Das noch nicht ganz vollendete Schloss wurde 1679, die Schlosskapelle 1682 eingeweiht. Während seine Aktivitäten in Weißenfels recht gut erforscht sind, ist sein Beitrag an der Vollendung von Schloss Moritzburg in Zeitz noch nicht im Einzelnen geklärt. Bis 1678 soll er die Arbeiten zum Abschluss gebracht haben. Dafür spricht, dass er 1673 in Zeitz getraut wurde. Die Kirche ist allerdings noch zu Lebzeiten seines Vaters 1664 fertig gestellt worden.

Noch während die Bauarbeiten in Weißenfels und Zeitz im Gang waren, begann Herzog Christian von Sachsen Eisenberg (1653-1707) in seiner kleinen Residenzstadt Eisenberg mit den Planungen zu einem neuen Schloss, dessen Grundstein 1677 gelegt wurde. Herzog Christian war ein Sohn Herzog Ernst I., genannt der Fromme, von Sachsen-Gotha, dessen Territorium nach seinem Tod entsprechend der Anzahl seiner Söhne aufgeteilt wurde.

 

Diese politisch unklugen Erbteilungen innerhalb der thüringischen Fürstenhäuser waren keine Seltenheit. Für die Baugeschichte unseres Landes besaßen sie allerdings eine heute noch vielfach sichtbare Bedeutung, denn fast jeder Regent ließ seine ihm zugewiesene Residenz ausbauen. Mit Planung und Ausführung seines Schlossbaues betraute Herzog Christian die beiden Baumeister Christian Wilhelm Gundermann und J. M. Richter d .J. Wer von beiden Baumeistern den größeren Anteil an der Schaffung von Schloss Christiansburg (heute Sitz Landratsamt Saale-Holzland-Kreis) besaß, ist heute z. T. noch umstritten, doch neigen die Forscher dazu, Richter die gestalterisch führende Rolle zuzubilligen. Nach Änderung der ursprünglichen Baupläne schloss der Bau die Angliederung einer Schlosskirche ein, die zwischen 1679 und 1692 errichtet wurde. Sie gilt heute als die schönste erhaltene Barockkirche in Thüringen. 1690 würdigte Herzog Christian die Verdienste Richters beim Bau von Schloss Christiansburg mit der Bestallung zum herzoglich Sachsen-Eisenbergischen Baumeister ehrenhalber.

 

 Seine wohl bedeutendste Leistung als Architekt und Baumeister vollbrachte er jedoch nicht in Thüringen, sondern in Franken, genauer gesagt in den Diensten des Markgrafen Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth (1644 - 1712). Zwischen 1679 und 1684 trat er als Baumeister in dessen Dienste und leitete die Bauarbeiten am Bayreuther Schloss, das heute als das Alte Schloss bezeichnet wird. Entscheidend für sein weiteres Wirken an gleicher Stelle wird ein europäisches Ereignis von Bedeutung. Als Frankreichs Sonnenkönig Ludwig XIV. das Edikt von Nantes aufhob und damit die Vertreibung der Hugenotten aus seinem Land einleitete, entschloss sich Markgraf Christian Ernst 1685 gleich seinem Verwandten Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg zu deren Aufnahme. Er beauftragte im Jahr darauf Richter mit den Planungen zu einer neuen Stadt. Nach gründlichen Vermessungsarbeiten schlägt Richter dem Markgrafen vor, bei Erlangen eine Neustadt zu errichten.

Sein Plan wurde angenommen, so dass in den kommenden Jahren eine komplette neue Stadt entstand, die J. M. Richter d. J. Handschrift trägt. Ursprünglich Neustadt Christian-Erlang genannt, ist sie heute ein Teil der Altstadt der fränkischen Universitätsstadt Erlangen. Natürlich wurde für die aus Frankreich vertriebenen Glaubensflüchtlinge eine eigene Kirche, die französisch-reformierte oder so genannte Hugenottenkirche geplant. Auch der Entwurf zu diesem Plan, der zwischen 1686 und 1693 umgesetzt wurde, soll allein von Richter stammen. Die komplette Umsetzung seiner Planungen wartete er nicht ab. 1689 kehrte er in seine Heimatstadt Jena in Thüringen zurück. Hier erreichte ihn wahrscheinlich 1691 der Auftrag von Graf Albert Anton von Schwarzburg-Rudolstadt (1641 - 1710), sich des Wieder- bzw. Neubaues der Unterkirche in Frankenhausen anzunehmen.
Ebenso auf Wunsch Graf Albert Anton, erbaute er auf den Fundamenten des alten Schlosses zu Frankenhausen, einen sachlich, schlichten Neubau und stand auch für die Planung des Jagdschlosses Rathsfeld verantwortlich.

Was bewog jedoch Graf Albert Anton, sich ausgerechnet für J. M. Richter d. J. zu entscheiden? Darauf gibt es noch keine eindeutige Antwort. Einerseits könnte Graf Albert Anton durch die verwandtschaftlichen Beziehungen der Schwarzburger zum Haus Sachsen-Gotha auf Richter aufmerksam geworden sein. Heiratete doch sein Sohn und Nachfolger Ludwig Friedrich I. (1667 - 1718) eine Tochter Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha. Von Richter wird angenommen, dass er seinem jüngeren Bruder Christian (1655 - 1722) fachlich zur Seite stand, als dieser für die Brüder der Herzöge Friedrich I. von Sachsen-Gotha und Christian von Sachsen-Eisenberg, Heinrich von Sachsen-Römhild und Albrecht von Sachsen-Coburg an den Schlössern Glücksburg in Römhild und Ehrenburg in Coburg arbeitete. Andererseits war Albert Anton und seine Familie am 27.11.1692 zugegen, als Herzog Christian die Eisenberger Schlosskapelle einweihen ließ. Wer das Innere der Kirche einmal selbst in Augenschein genommen hat, kann den Eindruck nachempfinden, den ihre Ausgestaltung auf die Schwarzburger gemacht haben könnte. Zieht man zusätzlich die tiefe Religiosität von Albert Antons Frau, Gräfin Aemilie Juliane (1637-1706), in Betracht, wird es verständlich, warum man sich des Könnens Richters versichert hatte.

Seine Anwesenheit in unserer Stadt, in dem Fall handelt es sich um Baugrunduntersuchungen und Vermessungsarbeiten am Platz der 1689 abgebrannten Unterkirche, belegt erstmals ein Schreiben von Bürgermeister und Stadtrat an Graf Albert Anton vom 21. März 1691. Es gehört zu einer umfassenden Dokumentation der Baugeschichte der Kirche im Zeitraum 1689 bis 1704, die im Stadtarchiv aufbewahrt wird.

Das Erscheinen Johann Moritz Richters an der alten und neuen Baustelle der Unterkirche erregte in der Stadt einiges Aufsehen. Richter betrieb nicht allein eine intensive Untersuchung des Baugrundes, sondern er steckte am Ende einen viel größeren Grundriss ab, als ihn der Vorgängerbau eingenommen hatte. Frankenhausens Stadtväter ergriff das blanke Entsetzen. Eine neue, größere Kirche? Reichte es denn nicht, den Vorgängerbau wieder aufzuführen? Noch bevor Richter der Stadtverwaltung am 1. September 1691 sein Abschlussgutachten vorlegte, beschwerten sich Bürgermeister und Rat beim Grafen in Rudolstadt über das Vorhaben. Ihre wichtigste Begründung bestand darin, den Landesherrn an die wirtschaftliche Situation der Stadt zu erinnern und das keineswegs zu Unrecht.

Auf den Bürgern lasteten beträchtliche Kriegskontributionen. Das »Heilige Römische Reich Deutscher Nation« hatte sich seit Jahren zahlreicher äußerer Feinde zu erwehren, im Südosten gegen die Türken und im Westen gegen die Franzosen. So weit weg die Kriegsschauplätze auch waren, so nah waren deren Auswirkungen. Die Kriege wurden im Wesentlichen von den Armeen der großen Fürsten des Reiches getragen. Im Sommer wurde gekämpft, im Winter lag man im Quartier, allerdings nicht in den heimischen. Es war viel bequemer, die Truppen bei den Untertanen der kleineren Fürsten einzuquartieren. Und so lagen jeden Winter Brandenburger, Sachsen und Hannoveraner in der Stadt, die versorgt sein wollten. Hinzu kamen die Kosten für den Wiederaufbau der 1689 gleich mit abgebrannten Stadtteile.

Sich dieser widrigen Umstände bewusst, hatten die Stadtväter bereits selbst versucht, den Wiederaufbau zu einem vertretbaren Preis in Gang zu setzen. Zu diesem Zweck war von einem Zimmerermeister aus Kindelbrück ein Kostenanschlag eingeholt worden. Diese Vorgehensweise fand jedoch nicht die Zustimmung des Landesherrn und seines Konsistoriums. Das Konsistorium war innerhalb der Grafschaft Schwarzburg-Rudolstadt für Kirchen- und Schulfragen zuständig und damit zugleich die Institution, die Einfluss auf den Kirchenbau nehmen konnte. Graf Albert Anton machte sofort klar, dass er die Errichtung einer gegenüber dem abgebrannten Vorgängerbau wesentlich vergrößerten Kirche anstrebte.

Frankenhausens Stadtväter gaben sich noch nicht geschlagen und brachten ein neues, in den Augen des Landesherrn verwerfliches Argument ins Spiel. Unter Vorstellung der zukünftigen Größe des Kirchraumes behaupteten sie, es würde vor »leeren Stühlen« gepredigt werden. Diese Behauptung erfuhr eine einfache und schnelle Beantwortung - Baumeister J. M. Richter bekam freie Hand zur Umsetzung der gräflichen Wünsche. In einer Beziehung behielt die Stadtverwaltung vollkommen Recht. Der finanzielle Rahmen wurde in jeder Hinsicht gesprengt. Die veranschlagte Bausumme von 2 - 3 Tausend Gulden inklusive Innenausstattung steigerte sich bis zur Einweihung 1703 auf 16.430 Gulden, 6 Groschen und 2 Pfennig. Darin enthalten ist nicht die Bezahlung für den Architekten und zusätzliche Reise- und Verpflegungskosten für Handwerker und Bauleute. Die Besoldung Richters bestritt Graf Albert Anton, der den Baumeister in seine Dienste nahm und ihm jährlich rund 115 Gulden zahlte. Dessen Reisekosten von seinem Wohnsitz in Jena nach Rudolstadt oder nach Frankenhausen trugen die Stadtverwaltung und die für Frankenhausen zuständige Regierungsbehörde.

Um die Höhe seiner Besoldung einordnen zu können, seien folgende Vergleichsbeispiele genannt: der Organist der Kirche erhielt jährlich ca. 20 Gulden, der Superintendent 64 Gulden, Beamte der Frankenhäuser Regierungsbehörde zwischen 50 und 200 Gulden. Den höchsten Verdienst erzielte mit rund 386 Gulden der Amthauptmann, der für Frankenhausen und alle zugehörigen Gemeinden verantwortlich war.

Um das finanzielle Defizit gering zu halten, war seitens der Kirche eine Kollekte ausgeschrieben worden. Ein Blick auf die Herkunft der Gelder der Kollekte zeigt sofort die Verbindungen Richters zu anderen Landesfürsten auf. Nach den Einnahmen aus der schwarzburgischen Oberherrschaft Rudolstadt kamen die nächst höchsten Beträge von Herzog Johann Adolf von Sachsen-Weißenfels, die in der Schlosskirche von Weißenfels eingesammelt worden waren und aus dem Herzogtum Gotha.

Für den Bau der Kirche gingen nicht allein geldliche Spenden ein. Seitens des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel, der zur weitläufigen Verwandtschaft der Schwarzburger gehörte, wurde Bauholz aus den Forsten bei Benneckenstein, Blankenburg und Tanne im Harz zur Verfügung gestellt. Eine ganz besondere Form der Spende erbrachten zahlreiche Frankenhäuser Bürger. Aus den schon bekannten Gründen besaßen sie selbst kaum größere Barmittel. Deshalb entschlossen sich Stadtrat und Kirchenleitung zu einem Aufruf: Sie riefen alle Einwohner die über ein Pferdegespann und Wagen verfügten dazu auf, kostenlos für den Antransport der Baumaterialien zu sorgen. Die Listen der freiwilligen Helfer füllen mehrere Seiten der im Stadtarchiv befindlichen Bauakte.

Neben der Bereitstellung der finanziellen Mittel erwies sich auch die Lösung der Arbeitskräftefrage als schwierig. Dabei ging es weniger um die Fachleute, die sich um die Aufträge rissen, als um eine genügende Zahl von Hilfskräften. Diese fanden sich nur, wenn andere Arbeiten nicht zu haben waren. Daher wurde am 3. Juni 1691 ein Reglement für alle Tagelöhner erlassen, dass während des Kirchenbaues alle Arbeits- und Pausenzeiten regelte und gleichzeitig verbot, andere Arbeiten anzunehmen, z. B. die sehr beliebte Weinernte an den Südhängen des Kyffhäusergebirges.

Begehrtester Arbeitsplatz war der Posten eines Stellvertreters des Baumeisters vor Ort. Es war durchaus nicht der einzige Auftrag, den J. M. Richter d. J. erhielt und ausführte. Auch seine besoldete Anstellung beim Grafen von Schwarzburg-Rudolstadt erlaubte es ihm, für andere Bauherren tätig zu werden. So arbeite er z. B. für Graf Anton Günther von Schwarzburg-Arnstadt an dessen Schloss Neideck in Arnstadt (heute Ruine) oder erstellte für die Kirchgemeinde in der Stadt Plaue bei Arnstadt ein Gutachten für den geplanten Kirchenumbau.

1693 baten Bürgermeister und Rat von Sangerhausen die Frankenhäuser ganz eindringlich, ihnen den Baumeister Richter zu schicken, da sie ein Gutachten für die mit Bauschäden behaftete St. Ulrich(s) Kirche benötigten. Schon auf Grund der vielen Aufträge und der damit verbundenen Abwesenheit Richters war ein Stellvertreter nötig. Richter selbst befürwortete einen Stellvertreter aus dem Gewerbe der Zimmerleute und schickte einen erfahrenen Zimmermann aus Weißenfels. Der musste allerdings nach kurzer Zeit seinen Posten verlassen. Grund: er war ein Ausländer oder einfach gesagt, er war kein Schwarzburger, sondern Untertan eines anderen deutschen Fürsten. In Frankenhausen selbst wurde der Posten eine handfeste Auseinandersetzung zwischen der Innung der Maurer und derjenigen der Zimmerleute.

Im Streit um den Posten des örtlichen Bauleiters setzten sich schließlich die Maurer unter dem Maurermeister Hans Friedrich Walther durch. Sichtbares Zeichen dieser erfolgreichen Auseinandersetzung ist eine Inschrift im westlichen Türbogen, wo sich Hans Friedrich Walther und seine Söhnen verewigten. Diese Inschrift führte in späterer Zeit immer mal wieder zu der Vermutung, H. F. Walther sei der eigentliche Baumeister gewesen. J. M. Richter war mit der Entscheidung der Stadtväter, H. F. Walther die örtliche Bauaufsicht in wesentlichen Punkten zu übertragen, wohl nicht ganz zufrieden. Er bemühte sich mehrmals darum, ihm vertraute Bauleute aus seiner Umgebung nach Frankenhausen zu vermitteln. So schickte er einmal zwei Steinhauer aus Jena nach Frankenhausen, die im »Nacken«, einer Flur in der Windleite in unmittelbarer Nähe der heutigen Kyffhäuser-Kaserne, Steine brechen und zuhauen sollten. Über die anfallenden Reisekosten - beide waren 1 1/2 Tage von Jena nach Frankenhausen unterwegs gewesen - entstand ein heftiger Streit zwischen Richter und der Stadt. Doch Richter setzte sich mit Hilfe der Landesbehörden in vielen Streitpunkten durch und ermöglichte somit einer Reihe von erfahrenen Bauleuten die Mitarbeit am Frankenhäuser Kirchenbau. Einwände der Stadt brachten nur Erfolg, wenn man sich bereit fand, die eigenen Bauleute auf eigene Kosten zur Instruktion durch Richter nach Jena zu schicken.

Während der gesamten Bauzeit kam es vereinzelt auch zur Veruntreuung der zur Verfügung stehenden Gelder. 1692 zweigte die Stadtverwaltung mal eben einen kleinen Betrag ab, um die ebenfalls im schlechten Zustand befindliche Oberkirche auszubessern. Unter Androhung von Strafen musste das Geld binnen 4 Wochen ersetzt werden. Notwendig war die Ausbesserung allerdings, diente die Oberkirche doch bis zur Fertigstellung der Unterkirche auch zur Abhaltung der Gottesdienste. Darüber hinaus konnte auch die Schlosskapelle für den Gottesdienst genutzt werden, die den Schlossbrand von 1689 nur leicht beschädigt überstanden hatte. Graf Albert Anton hatte die wenigen, geringen Schäden ausbessern lassen und ihre Nutzung gestattet. Da sie längst nicht alle Gläubigen aufnehmen konnte, wurde der Gottesdienst in mehreren Durchgängen abgehalten.

Erst als das Kirchenschiff fast vollständig fertig gestellt worden war, wendete man sich ab 1700 dem Wiederaufbau des Glockenturmes zu. Den Zuschlag für die Bauausführung erhielt schließlich der Frankenhäuser Zimmermann Hans Christoph Schelschläger. Der untere, gemauerte Teil war 1689 nicht ganz zerstört worden, so dass man auf das alte Mauerwerk zurückgreifen konnte. Der Vorgängerbau war erst zwischen 1650 und 1654 errichtet worden. Weil nach dem dreißigjährigen Krieg Geld knapp war, war damals angeordnet worden, Steine der Ruine Anrensburg (Arnsburg) bei Seega zu vermauern. Deshalb vermittelt uns das Äußere des Glockenturmes ein höheres Alter, als er in Wirklichkeit besitzt.

1702 konnte an die Ausgestaltung des Kircheninneren gegangen werden. Jetzt entstand der heute noch beeindruckende und vorhandene Grafen- bzw. Fürstenstand mit dem Wappen der Schwarzburger. Im gleichen Jahr wurde Johann Rosen aus Volkstedt bei Rudolstadt zum Glockengießer bestellt. Sein Vertrag lief bis Januar 1705. Vom 31. August 1702 datiert der Vertrag mit dem Orgelbauer Johann Nord aus Rudolstadt. Innerhalb von einem Jahr sollte die Orgel bis auf die Bildhauerarbeit fertig gestellt sein. Von allen bedeutenden Meistern die am Bau der Unterkirche mitgewirkt hatten, blieb allein er in Frankenhausen und wurde somit weit vor dem Orgelbaumeister Julius Strobel im 19. Jahrhundert zum Begründer der Frankenhäuser Orgelbautradition.

Am 1. Oktober 1703 konnten die Stadtväter Graf Albert Anton endlich melden, dass die Kirche bis auf »Kleinigkeiten« fertig sei. In Anwesenheit der gesamten Familie Graf Albert Anthons wurde die Kirche 9 Tage später geweiht. In überschwänglichen Worten dankte man dem Grafen und seiner Frau, Gräfin Aemilie Juliane, für die enorme finanzielle und materielle Unterstützung beim Bau der Kirche. 1706 erinnerte Heinrich Christoph Ludwig, seines Amtes Superintendent der schwarzburgi-schen Unterherrschaft Frankenhausen, in seiner Leichenpredigt für Gräfin Aemilie Juliane daran, dass gerade sie es gewesen war, die zahlreiche Kirchenbauten in der Grafschaft Schwarzburg-Rudolstadt erst ermöglicht hatte.

Für Johann Moritz Richter den Jüngeren war es der letzte große Kirchenbau, den er betreute. Zwei Jahre nach der Einweihung verstarb er in Jena. Die in der Familie verankerte Baumeistertradition wurde von einem seiner Brüder und einigen seiner Söhne fortgesetzt.

Dr. Ulrich Hahnemann

Quellen- und Literaturangaben (Auswahl)

Stadtarchiv Bad Frankenhausen: 1/V-146.1 (Kirchensachen): Acta, die Erbauung der anno 1689 den 17. September abgebrannten Unter- oder Kloster Kirche 1690 -1704.

Die sächsischen Wurzeln des Landes Sachsen-Anhalt und die Rolle der Sekundogenitur Sachsen-Zeitz. Beiträge zur Regional- und Landeskultur Sachsen-Anhalt, Heft 5, 1997

300 Jahre Schloß Neu-Augustusburg (Festschrift), Weißenfels 1994. Heckmann, H.: Baumeister des Barock und Rokoko in Thüringen. Berlin, 1999.

Stubenvoll, W.: Schloß Christiansburg in Eisenberg. Eisenberg, 1999. Warsitzka, W.: Herzog Christian von Sachsen und der Bau der Schlosskirche zu Eisenberg. Jena, 1992.

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