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Schwimmbad-Geschichten (5)

Aufruf des Bürgermeisters an die Frankenhäuser

Nachdem die Pfännerschaft am 11. April 1935 endlich den Beschluss zum Bau des Soleschwimmbades gefasst hatte, stand das nächste Problem an: die Aufbringung der Baukosten. Die gesamte Bausumme war auf 60.000 RM veranschlagt worden. 1 Davon entfielen allein 50.000 RM auf das Schwimmbecken. Vom Thüringischen Wirtschaftsministerium in der Landeshauptstadt Weimar wurde ein Zuschuss in Höhe von 20.000 RM erbeten. Mit Verweis auf die Haushaltslage des Landes Thüringen lehnte die Landesregierung diesen Zuschuss zunächst ab. Bürgermeister Dr. Werner hatte versucht, vorzubauen und sich bereits im April 1935 in einem Aufruf an die Frankenhäuser Bevölkerung gewendet:

»Liebe Frankenhäuſer Mitbürger!

I rufe hiermit ae Bürger auf, die bereit nd, am Aufbau ihrer Heimatſtadt mitzuarbeiten. Wie on wiederholt betont, wird es kaum mögli ſein, in abſehbarer Zeit Induſtrie und dergl. na hier zu bekommen.
Es gilt einzig und aein die natürlien Sönheiten der Stadt und ſeiner Umgebung und vor aen Dingen die örtlien Säe ſo auszunuen, da die bisher fehlende zuſälie Kaufkra na Bad Frankenhauſen kommt. I habe wiederholt perſönli und dur die Pree die Wege bekanntgegeben, die wir gemeinſam bereiten müen.
Der Bau des Sole-Swimmbades iſt bereits in Angriff genommen. In weler Form die Koſten aufgebrat werden ſoen, habe i in der Verſammlung der Geäsleute eingehend erläutert.
I frage heute Sie, lieber Mitbürger, nd Sie bereit, dur Übernahme eines oder mehrerer Anteile mitzuhelfen an dem Werk, das Bad Frankenhauſen jenen Vorſprung wieder einholen lä, den andere Badeorte ſeit Jahren innehaben.
Die Höhe der Anteile iſt mit RM 50,- angenommen. Dieſer Betrag ſo, um jeden Volksgenoen die Möglikeit der Mitarbeit und Mithilfe zu geben, au ratenweiſe zahlbar ſein. Es beſteht ferner die Möglikeit, den Anteilbetrag je zur Häle in Raten 1935 und 1936 zu zahlen.

Frankenhäuſer Mitbürger! Zeinet Eure Anteile in der beiliegenden Liſte!« 2

Innerhalb kürzester Zeit zeichneten 69 Bad Frankenhäuser Anteile zum Bau des Soleschwimmbades. Auf diese Weise konnten fast 4.000 RM der Gesamtbausumme aufgebracht werden. Für Bürgermeister Dr. Viktor Werner war es gleichsam eine seiner letzten, wenn auch wichtigsten Amtshandlungen. Er stürzte über die sogenannte Amtskettenaffäre -seitens der Stadtverwaltung war angeblich ohne Vorwissen des Bürgermeisters bei einem Sondershäuser Juwelier eine neue, nicht gerade billige Amtskette in Auftrag gegeben worden - und musste unter Druck des NSDAP-Ortsgruppenleiters am 11. Juli 1935 sein Amt aufgeben. 3 Ihm folgte mit einiger Verzögerung im November 1935 Friedrich Neubauer (1881, Schönberg, Kreis Osterburg - ?) im Amt des Bürgermeisters nach.

In der Zwischenzeit war die »Solschwimmbad Frankenhausen (Kyffh.) e. GmbH« gegründet worden, die als Eigentümer und Auftraggeber für das Bauvorhaben fungieren sollte. 4 Gesellschafter konnte theoretisch jeder werden, der Anteile am Bau des Solschwimmbades zeichnete. Neben den Bürgern waren dies die Pfännerschaft, die Stadtverwaltung und schließlich auch die thüringische Landesregierung. Dem neuen Bürgermeister war es im Februar 1936 gelungen, dass Thür. Wirtschaftsministerium zur Bereitstellung eines Zuschusses in Höhe von 25.000 RM zu bewegen. Weniger erfreulich gestalteten sich die Vorgänge um den Einsatz des Arbeitsdienstes. Mal stimmte dieser den Arbeiten zu, mal widerrief er seine Zusage. Letztlich begann dieser erst am 03. Februar 1936 mit den eigentlichen Aushubarbeiten.

Hildesheimer Architekt soll gestalten

Bislang ungeklärt war die Frage, wie soll das Bad aussehen und wer soll es projektieren? Darüber entschieden werden sollte bereits auf einer Generalversammlung der »Solschwimmbad Frankenhausen (Kyffh.) e. GmbH« im November 1935. Doch Bürgermeister Neubauer ließ sich hier auf keine Debatten ein. Er holte sich in den Ministerien in Weimar Auskünfte darüber ein, in welchen thüringischen Orten gerade Freibäder geplant oder gebaut wurden. Am 17. Januar 1936 wurde er auf den Freibadbau in Friedrichroda/Thür. und dessen Architekten, Otto Immendorff aus Hildesheim, aufmerksam gemacht. Weiterer Empfehlungen bedurfte es nicht. Schon am darauffolgenden Tag wandte sich Bürgermeister Neubauer brieflich an Architekt Immendorff. 5

Schnell stellte sich heraus, dass beide sich aus F. Neubauers Zeit als Bürgermeister der Stadt Arendsee in der Altmark kannten. Während F. Neubauers dortiger Amtszeit hatte O. Immendorff das Schwimmbad in Arendsee geplant und gebaut.

Schwimmbäder gehörten zu Otto Immendorffs Spezialgebiet. Er selbst nannte sich »Aritekt für Bäderbau, Spezialbüro für neuzeitlie Freibadanlagen, Swimmhaen uſw. « und durfte die Bezeichnung »Faberater für den Deuten Swimmverband e.V.« führen. In Thüringen hatte er bereits die Freibäder in Luisenthal, Bad Berka und Friedrichroda projektiert und ausgeführt.

Ohne weitere Absprachen in dieser Sache mit der Pfännerschaft zu treffen, übertrug F. Neubauer Architekt Immendorff am 29. Januar die Ausarbeitung eines Vorentwurfs und am 17. Februar 1936 den offiziellen Auftrag für den Bau des Soleschwimmbades.

Komplikationen bei Baugrunduntersuchung

Bürgermeister Neubauer war voller Ungeduld. Wiederholt drängte er O. Immendorff zur Vorlage der Projektunterlagen. 6 Dieser verwies auf eine genügende Planungszeit und die unzureichenden Abbrucharbeiten am 250 Jahre alten Siedehaus »Schwan«. Zudem hatte der Arbeitsdienst die Aushubarbeiten nicht im vollen Umfang durchgeführt, wodurch es Schwierigkeiten bei der Baugrunduntersuchung gab.

Schließlich war es soweit. Nachdem das Landratsamt Sondershausen die eingereichten Unterlagen genehmigte, wurden im März 1936 die Aufträge für die Bauarbeiten vergeben. Dem Baugeschäft »Hermann Grabe, Bad Frankenhausen« wurden die weiteren Erd- und Planierungsarbeiten übertragen. Die »Mitteldeutsche Massiv Sparbau GmbH«, kurz Mimas genannt, erhielt den Auftrag für den Beckenbau.

Am 22. April 1936 machte Walter Landgraf, einer der Inhaber der Mimas GmbH, Architekt Immendorf darauf aufmerksam, dass für eine ordnungsgemäße Gründung die Festigkeit des Bodens zu wünschen übrig lasse. Immendorf teilte die Bedenken nicht und forderte die Mimas auf, die Arbeiten entsprechend seinen Planungen fortzusetzen. Zügig gingen diese vonstatten.

Ministerpräsident eingeladen zur Eröffnung

Am 20. Juni verkündete die »Frankenhäuser Zeitung« stolz: »Unſer neues Sole-Swimmbad geht ſeiner Voendung entgegen«. Drei Tage später lud NSDAP-Ortsgruppenleiter Bartels Ministerpräsident Willy Marschler (1893 - 1952, Ministerpräsident Thüringens 1933 - 1945) zur Eröffnung ein. Werbewirksam geplant war diese für den 26. Juli 1936, dem »Tag des Thüringen Gastes«, der in diesem Jahr zum zweiten Mal stattfand.

Wenige Tage vor dem Eröffnungstermin, am 21. Juli, versendete Bürgermeister Neubauer die Pressemitteilungen und weitere Einladungen an hohe thüringische Regierungs- und Parteimitglieder der NSDAP.

Doch dann kam der Morgen des 22. Juli 1936. Die Arbeiter, die nach 5 Uhr am Morgen auf die Baustelle kamen, berichteten später übereinstimmend: gegen 5.45 Uhr bildete sich auf der südlichen Seite des Nichtschwimmerbeckens ein Strudel, der rasch zunahm und kurz darauf sackte die Betonsohle ein. 7 Innerhalb kürzester Zeit war das Wasser aus dem Becken entwichen. In aller Eile wurden die Einladungen widerrufen und eine Untersuchung des Vorganges angeordnet.

Mit dem raschen Fortgang der Arbeiten am neuen Soleschwimmbad stellte sich der Stadtverwaltung die Frage: Was geschieht mit dem Schwimmbad in der Weidengasse? An zwei Schwimmbädern wollten weder Stadtverwaltung noch die Ratsherren festhalten. Dafür fehlte das Geld. Schließlich wurde der Vorschlag von Bürgermeister Neubauer in Erwägung gezogen, dass Schwimmbad zu verpachten. 8

Hier spielten wiederum seine früheren Erfahrungen als Bürgermeister von Arendsee eine Rolle. Noch im April, vor der Eröffnung der Badesaison 1936 ließ er sich Muster von Pachtverträgen aus Arendsee, Genthin, Magdeburg, Rathenow und weiteren Orten kommen. Aus all diesen Mustern wurde ein Pachtvertragsentwurf für Bad Frankenhausen zusammengestrickt. Diesen legte die Stadtverwaltung dem seit 1930 amtierenden Bademeister Robert Hopfgarten (1893 - 1960) vor. 9

Zu Recht verwies R. Hopfgarten darauf, dass die geforderte Pachtsumme von 600-700 RM kaum zu erwirtschaften sei, wenn während der Badesaison 1936 das Soleschwimmbad als Konkurrent seine Pforten öffnen würde. Zudem war die Stadtverwaltung nicht bereit, auf den lukrativen Verkauf der allwinterlichen Eisdecke des Bades an die »Mitteldeutsche Engelhardt Brauerei Sangerhausen« und zweier Bad Frankenhäuser »Bierverleger« (Bierhändler) zu verzichten.

Schwimmbad Weidengasse obsolet?

Immerhin 120 bis 200 RM brachte der Verkauf der Eisdecke jedes Jahr. Sie wollte dem Pächter außer den Eintrittsgeldern lediglich die Einnahmen aus der gastronomischen Versorgung der Badegäste zugestehen. Eine Einigung über die Pachtmodalitäten kam nicht zustande. Da die Eröffnung der Badesaison vor der Tür stand blieb alles wie es bisher war. Der Bademeister wurde gegen Wochenlohn während der Badesaison angestellt. Doch gleichzeitig lief die Ausschreibung der Pacht für die Saison 1937.

Den Zuschlag erhielt schließlich Paul Cotta (1888 - 1947), der über ausreichend Erfahrung auf dem Gebiet der Gastronomie verfügte. Mit der Verpachtung entledigte sich die Stadtverwaltung der umfassenden Verantwortung für das Schwimmbad Weidengasse. Wie sich in den kommenden Jahren zeigen sollte, wollten die Stadtväter nicht einmal mehr für die notwendigen Instandhaltungen aufkommen.

Dr. Ulrich Hahnemann

Literaturnachweis

  1. Stadtarchiv Bad Frankenhausen (StadtA Bad F), 1/Xa - 34: Het--: des Fremdenverkehrs durch Bau eines Soleschwimmbactes 1935/1936. Schreiben an dasThür. Wirtschaftsministerium vom 15.01. 1936.
  2. Ebenda, Aufruf des Bürgermeister Dr. Werner vom April 1935. »Lieber Frankenhäuser Mitbürger!«
  3. Augenzeugenbericht eines leider unbekannten Verfassers (Museumsbestand)
  4. StadtA Bad F, 1 /Xa - 34, Bericht vom 14.11. 1936.
  5. Ebenda, Schreiben Bgm. Neubauer an O. Immendorff vom 18.01., 29.01. und 17.02. 1936.
  6. Ebenda, Verschiedene Schreiben zwischen Bürgermeister, Stadtverwaltung, Architekt Immendorff und den beteiligten Baufirmen vom März bis Juli 1936.
  7. StadtA Bad F, 1/VIII - 73: Wiederaufbau Soleschwimmbad 1936 - 1938.
  8. StadtA Bad F, 1/Xa - 33: Schwimmbad Weidengasse – Pachtverträge und Eisnutzung im Winter, 1933-1943, Pachtverträge verschiedener Städte und Gemeinden Mitteldeutschlands.
  9. StadtA Bad F, 1/Xa - 32: Städtisches Schwimmbad Weidengasse 1930-1945, Briefwechsel zwischen Stadtverwaltung und R. Hopfgarten vom April 1936.
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