Das Seifensieder- und Lichterzieherhandwerk
In welchem Haushalt wäre sie heute nicht vorhanden - die Seife. Gekauft in der Drogerie oder im Supermarkt, macht sich wohl kaum jemand Gedanken darüber, wie die handlichen Stücke hergestellt werden oder gar darüber, wie lange ihr Gebrauch in unseren Breiten schon bekannt ist.
Ihre Herstellung beherrschten schon unsere germanischen Vorfahren. Als Handelsprodukt gelangte die von ihnen gefertigte Seife schon in der römischen Kaiserzeit (etwa 20 v.Chr. - 476 n.Chr.) in die Mittelmeerregionen, wo sie aber mehr als Pomade, denn als Reinigungsmittel Verwendung fand. Erst seit dem Spätmittelalter und der zunehmenden Einrichtung von Badestuben kam sie mehr und mehr bei der Körperreinigung in Anwendung. Aber auch als Waschmittel und zum Bleichen und Walken wurde sie benutzt.
Einst wurde Seife auch in Frankenhausen hergestellt und auf dem Wochenmarkt oder in eigens dafür von den Seifensiedern in der Kräme unterhaltenen Läden verkauft. Allerdings sollte man sich unter diesen Läden keine großen, geräumigen Geschäfte vorstellen, in denen Seifen mit den verschiedensten und angenehmsten Düften angeboten wurden. Unsere heimischen Seifensieder stellten - wie fast überall in Deutschland - lediglich einfache Gebrauchswaren, nämlich Schmier- und Kernseife her. Luxusartikel kamen nun auf umgekehrtem Wege aus Italien oder Frankreich über die Leipziger oder Frankfurter Warenmessen zu uns.
Gartoff veranlasste Bau der Kanalisation
Im Gegenteil, die Herstellung der Seife aus Rindertalg, Pottasche und Kochsalz gab teilweise die unliebsamsten Gerüche von sich. Als 1837 der Seifensiedermeister Anton Garthoff seine neue Seifensiederei im unteren Teil der Kräme einrichtete, stieß dieses Vorhaben sofort auf Widerstand der Kaufleute, Krämer und Handwerker der unmittelbaren Nachbarschaft. Denn Garthoff ließ entgegen städtischer Auflagen seine bei der Seifensiederei entstandenen Abwässer ungeklärt in den noch offenen, die Kräme durchfließenden Graben laufen. Die dadurch verursachte Geruchsbelästigung veranlasste die vorübergehenden, möglichen Kunden seiner Geschäftsnachbarn zum eiligen Weiterlaufen, wie sich aus ihren Klagen gegenüber dem Stadtkämmerer Christian Ludwig Braune entnehmen lässt. Das Einschreiten der städtischen Obrigkeit ließ denn auch nicht lange auf sich warten. Entweder werden die Laugen durch eine unterirdische Gosse abgeleitet oder die Siederei wird geschlossen. Anton Garthoff fügte sich und veranlasste den Bau einer der ersten unter der Erdoberfläche befindlichen Kanalisation in der Kräme.
Die historischen Anfänge des Seifensiederhandwerkes lassen sich bis ins 17.Jahrhundert zurückverfolgen. Am 18.April 1692 gründeten sie die Innung des »Seifensieder- und Lichterzieher-Handwerkes« . Zu diesem Zeitpunkt gab es in Frankenhausen 5 Seifensiedermeister. Ihre Zahl blieb über 2 ½ Jahrhunderte hinweg relativ konstant:
Jahr | Seifensieder- Meister |
---|---|
1734 | 6 |
1750 | 8 |
1800 | 5 |
1825 | 7 |
1850 | 5 |
1867 | 4 |
Das Arbeitsgebiet umfasste neben dem Seifensieden auch die Herstellung von Kerzen (»Lichter ziehen«). In kleinen und mittleren Städten waren die Seifensieder und Lichterzieher meist in einer Innung zusammengeschlossen oder wie in Frankenhausen, beides in einer Person. Die Herstellung der Kerzen erfolgte durch Ziehen oder Gießen. Beim Ziehen wurde ein Docht aus Wollgarn so oft in ein Gefäß mit Talg oder Bienenwachs getaucht, bis die Kerze die gewünschte Stärke aufwies. Für das Gießen verwendete der Handwerksmeister eine Gussform in Gestalt einer Kerze aus Holz oder Metall. Er hielt den Docht in die Form und goss solange heißes, flüssiges Wachs in diese Form, bis es den oberen Rand erreichte und ließ es dann erkalten.
Jedes Stück Seife musste abgewogen werden
Zur Seifenherstellung eignete sich insbesondere Rinderfett (Talg), auf welches die Seifensieder bei der Frankenhäuser Fleischerinnung ein uneingeschränktes Vorkaufsrecht besaßen. Der Rindertalg wurde zusammen mit einer zuvor angefertigten Lauge aus Holzasche und Wasser gekocht (verseift). Anschließend wurde dem Gemisch Kochsalz zugeführt, um es zu härten. Die gesamte Seifenlösung wurde nun in eine mit feuchten Lappen ausgelegte Holzschale gegossen. Bevor die Seifenmischung aushärtete, konnte man noch Farb- oder Duftstoffe zugeben. Jedes so gefertigte Stück Seife musste abgewogen und mit dem Meisterzeichen des jeweiligen Seifensieders versehen werden, bevor es zum Verkauf ausgelegt werden durfte.
Auf diese Weise erhielt der Käufer die Möglichkeit zur Reklamierung der Ware, wenn sie nicht hielt, was der Meister beim Verkauf über sein Produkt versprochen hatte. Entsprechende Vorschriften enthielt bereits die 1692 vom Graf Albert Anton von Schwarzburg-Rudolstadt erteilte Innungsordnung:
Zum Siebenden, weil nun hogräflier gnädiger Herra ernſter Wie, daß Dero Unterthanen mit guter und tütiger Seife und Lite aezeit na Nothdur verſehen werden. Als ſoen ae und jede Meiſter dieſer Lade (Innung) zugethan, verbunden ſeyn, gute und tütige und untadelhaige Seifen und Lite zu verfertigen, au dieſelbigen na Einkauf des Unlits (Materials) um biigen und Landes üblien Kaufpreis abzugeben; ...
Damit die seitens der Landesregierung aufgestellten Anforderungen auch jederzeit erfüllt werden konnten, legten die Seifensieder ihr Hauptaugenmerk auf den Ankauf qualitativ hochwertiger und dennoch preiswerter Ausgangsstoffe. Dabei waren die staatlich verordneten Preisbindungen teilweise von Vorteil. So mussten die Fleischer Rinder-, Schweine- oder Schafsfett zuerst den Seifensiedern zu einem festgesetzten Preis anbieten. Erst wenn diese ausreichend versorgt waren, durften sie das übrige anderweitig absetzen.
Pottasche - begehrtes Gut
Auch die Pfännerschaft hatte zu niedrigen Preisen Kochsalz zu liefern. Heute kaum vorstellbar war aber die Tatsache, dass Hartholzasche ein begehrtes Handelsgut war, welches einfach zu beseitigen oder gewinnbringend außer Landes zu schaffen unter Strafe stand. Reine Hartholzasche war ein unabdingbarer Rohstoff zur Herstellung von sogenannter Pottasche, einem wichtigen Zusatz beim Seifensieden. Da Pottasche auch zur Glasherstellung benötigt wurde, konnte es unter Umständen dazu kommen, dass diese in Deutschland recht knapp wurde. Große Städte wie Nürnberg, Köln oder Frankfurt/Main schickten Aufkäufer selbst in die entlegensten Gegenden des Deutschen Reiches, um Pottasche für ihre Innungen aufzukaufen.
Daher waren alle Bewohner der schwarzburg-rudolstädtischen Unterherrschaft Frankenhausen verpflichtet, die Holzasche zu allererst der Seifensiederinnung anzubieten. Wehe dem, der seine Asche an eine auswärtige Innung verkaufte. Dieser hatte mit einer gehörigen Geldstrafe zu rechnen. Insbesondere in den sogenannten schwarzburgischen Grenzdörfern, wie Ringleben oder Günserode tauchten immer wieder ausländische Aufkäufer auf und versuchten durch erhöhte Ankaufspreise die Bewohner dazu zu bringen, ihnen ihre Asche zu verkaufen. Nicht selten beschwerten sich die Frankenhäuser Seifensieder bei den zuständigen Landesbehörden über dieses Vorgehen.
Um den Handwerksberuf eines Seifensieders oder Lichterziehers ausüben zu können, machte sich eine 4jährige Lehrzeit erforderlich. Die leiblichen Söhne der Meister brauchten jedoch nur 3 Jahre lernen. Bevor sie sich zur Meisterprüfung anmelden durften, mussten die Gesellen eine 2-4jährige Wanderschaft aufweisen können. Das Meisterstück (Meisterprüfung) selbst bestand in der Fertigung von 2 Eimern Seife. Kerzen wurden nur selten und dann auch nur zusätzlich als Meisterstück verlangt.
Wie stand es um die Qualität der Frankenhäuser Seife?
Ein Gutachten aus dem Jahre 1811 bescheinigte unserer heimischen Seife gute Eigenschaften und räumte ihr unter allen verglichenen Seifen der Kyffhäuser-Südharzregion einen zweiten Platz hinter der Nordhäuser Seife ein.
Der eine oder andere Frankenhäuser schien jedenfalls nicht genug von seiner heimischen Seife bekommen zu können. 1853 wurde aus dem Wohnhause des Seifensiedermeisters Ludwig Börner in der Oberkräme alle auffindbare Seife entwendet. Ob der Fall aufgeklärt werden konnte, ist leider nicht überliefert.
Obwohl das Frankenhäuser Seifensiederhandwerk zahlenmäßig nicht unbedeutend war, gehörte es nicht zu den finanzstärksten Handwerkszweigen. Dennoch vermochte es zuerst in Frankenhausen und dann auch innerhalb der politischen Vertretung des Fürstentums, dem Landtag, etwas Einfluß zu gewinnen. Mit den Seifensiedermeistern Günther Heinrich Philipp Teuthorn und Traugott Anton Garthoff stellte das Handwerk immerhin einen Bürgermeister und einen Unterbürgermeister in unserer Stadt. Neben Anton Christian Garthoff waren die beiden oben genannten zeitweilig auch Landtagsabgeordnete im Schwarzburg-Rudolstädtischen Landtag.
Seit der 2.Hälfte des 19.Jahrhunderts bekamen die Seifensieder und Lichterzieher zunehmend Konkurrenz durch die industrielle Massenfertigung von Seife und die langsame Ablösung der Kerzen durch Petroleum-, Gas- und später auch elektrische Lampen.
Im Jahre 1867 beschlossen die 4 noch vorhandenen Seifensieder; Eduard Börner, Anton Garthoff, Ferdinand Garthoff und Ernst Hauthal die Seifensiederinnung aufzulösen. Von ihnen waren auch nur noch 2 Meister mit dem Sieden von Seife beschäftigt. Der letzte Vertreter seines Handwerkes war Ferdinand Garthoff, der seine Werkstatt erst kurz vor der Jahrhundertwende schloss und sich zur Ruhe setzte.
Ulrich Hahnemann
Literatur- und Quellenangaben:
Stadtarchiv Bad Frankenhausen: Aktenbestand „Handwerk, Handel, Gewerbe“ - Akten-Nr.: 1/X - 9 und 10.
Thüringisches Staatsarchiv Rudolstadt, Bestand Ministerium Rudolstadt, Abteilung Inneres, Akten-Nr.: 4695; Bestand, Landratsamt Frankenhausen, Akten-Nr.: 4855, 3465, 4628; Bestand Justizamt Frankenhausen, Akten-Nr.: 1586; Bestand Amtsgericht Frankenhausen, Akten-Nr.: 167.
Reith,R.(Hrsg.): Lexikon des alten Handwerks, München 1990, Seite 192 f.