Während des Festessens ergriff Kirchrat Wächter aus Ringleben das Wort und sprach einen Toast auf Kaiser Wilhelm II. und den Fürsten Georg , den Landesherren aus. Drei weitere Persönlichkeiten, Fabrikbesitzer Hornung, Mühlenbesitzer Weineck aus Oldisleben und Kantor Töpfer aus Seehausen ergriffen das Wort. Dem Wirt Apel galten die besten Wünsche, damit seine Investition mit dem Saalbau sich rentieren möge. Nachdem die Festtafel aufgehoben war, konnte das Tanzbein geschwungen werden. Wie üblich eröffnete eine Polonaise den Reigen. Erst im Morgengrauen gingen die letzten Tänzer nach Hause.
Mit einem Saal hatte Constantin Apel natürlich die nötige Kapazität, zahlreiche Gäste aus Nah und Fern zu Konzerten, Abendunterhaltungen und Tänzen, Bällen und Theatervorstellungen, Kostümbällen, Lieder- und Humoreskenabenden in den »Thüringer Hof« einzuladen.
Zum Beleg dafür Auszüge aus einigen Frankenhäuser Zeitungen:
Am 2. Weihnachtsfeiertag 1889 nutzte der Männergesangsverein den Saal zu einer Christbaumfeier mit Abendunterhaltung und kleinem Ball. Nur Angehörige der Chormitglieder und Eingeladene sowie auswärtiger Besuch hatte Zutritt zu dieser Feier.
Zur Fastnacht 1891 abends 8 Uhr fand eine große Abendunterhaltung mit der Stadtkapelle statt. Zunächst wurde zu einem »Fidelen Bier-Concert« aufgespielt, im Anschluss konnte beim Ball das Tanzbein geschwungen werden. Der Eintritt betrug 30 Pfennig.
Regelmäßig kamen auch Abonnement-Sinfonie-Konzerte der Stadtkapelle, unter Leitung von Albert Wernicke, zur Aufführung. Genau wie sich die Frankenhäuser Vereine »Ressource«, »Erholung«, »Imkerverein« und der »Wissenschaftliche Verein« mehr oder weniger oft in der Lokalität trafen.
Ein »Karlschulz-Konzert« fand am 19. Juni 1892, abends 8 Uhr statt, angekündigt als ein »Lieder- und Humoresken-Abend« unter Mitwirkung der Pianistin Fräulein Petrowska. Die nummerierten Billets waren für 75 Pf., die unnummerierten für 50 Pfennig erhältlich. An der Abendkasse waren jeweils 25 Pfennig mehr zu entrichten.
Am 29. Juni 1893, abends 8 Uhr wurde ein Konzert
von Fräulein Johanna Haae, Concert- und Oratorien – Sängerin aus Hae a./S., unter gütiger Mitwirkung der hiegen Stadt- und Curkapee ſowie einiger mukali – gebildeter Herren
dargeboten.
Das Programm bestand aus zwei Teilen; zur Aufführung kamen unter anderem Mendelson, von Schubert »Der Neugierige«, ein Lied mit Klavier und Fantasie aus »Die Puppenfee« von Bayer. Im Vorverkauf konnten Programme als Eintrittskarte bei Kaufmann Strobel in der Erfurter Straße und beim Vereinsdiener Kitzig für 60 Pfennig gekauft werden. An der Abendkasse musste man 75 Pfennig bezahlen. Der Erlös kam dem Kyffhäuser-Denkmal zu Gute, dessen Einweihung 1896 stattfand.
Foto Görtz
Eröffnung Bahnlinie und Einweihung Kaiser-Wilhelm-Denkmal
Ein Ereignis von großer Bedeutung für die Entwicklung von Frankenhausen gab es am 4. Juli 1894 zu feiern, als die Bahnlinie Reinsdorf-Frankenhausen seiner Bestimmung übergeben wurde. Mit der Eröffnung der Bahnstrecke erhoffte man sich eine Konjunktur des Salinewesens, der Zucker-, Knopf – und Zigarrenfabriken, gesteigerten Verkauf an geschlagenem Holz und geerntetem Obst, bessere Bedingungen für die Wollgeschäfte, sowie günstigere geschäftliche Verbindungen für das Handwerk.
Durch die bequemere Anreise mit der Bahn für die Kurgäste und den Besuchern der Sehenswürdigkeiten im Kyffhäusergebirge erwartete man ebenfalls einen Aufschwung des Tourismus, auch im Hinblick auf die bevorstehende Eröffnung des »Kaiser-Wilhelm–Denkmals« auf dem Kyffhäuser. Im »Thüringer Hof« gab es zu diesem Anlass ein Festessen, an dem zirka 80 geladene Gäste teilnahmen.
Der Thüringer Bäder-Verband führte seine Zusammenkunft vom 7. bis 9. Oktober 1894 in Frankenhausen durch. Die Versammlung selbst fand im Hotel »Zum Mohren« statt. Hauptthema war das »Trinkgeldwesen«. Dabei beurteilte Pfarrer Drescher aus Etzleben die sittliche Seite und Dr. Ritz aus Waltershausen die rechtliche. Über das Trinkgeld im Gastwirtschaftsgewerbe kamen drei Redner zu Wort. Man wollte es sogar abschaffen, was einem Ober oder einer Kellnerin bestimmt nicht gefallen hätte. Apotheker Bender, Badekommissar aus Frankenhausen, brachte seine Meinung über die Trinkgeldunsitte im Badewesen zum Ausdruck. Weiterhin wurde über einen Antrag zur Herausgabe eines Bäder-Almanachs (Jahresbuch) diskutiert. Das Festmahl nach der Sitzung fand abends im Hotel »Thüringer Hof« statt. Ein Gedeck kostete 3 Mark. Eingeladen hatte zu allen Veranstaltungen die pfännerschaftliche Badedirektion.
Ab dem 1. April 1897 übernahm Heinrich Böse aus Bernburg das Hotel »Thüringer Hof«. Er hatte das Grundstück von Apel gekauft. Böse bittet
...ein verehrlies Publikum das meinen Herrn Vorgänger entgegengebrate Vertrauen au auf mi gütigſt übertragen zu woen. Geſunde Umgegend, eingeritete Zimmer mit Balkons na dem Garten. Solide Preiſe bei beſter Verpflegung. Omnibus zu jedem Zuge am Bahnhof - Geirr im Hauſe.
Mit dem »Geschirr« war natürlich eine Pferdekutsche gemeint, nicht jenes, welches man zum Speisen Besteck und Teller mitbringen musste.
Die Vereine der Stadt nutzten weiterhin rege die Lokalität für ihre Zusammenkünfte. Aber im Verhältnis zu seinem Vorgänger Apel, fanden beim Gastwirt Böse weniger Veranstaltungen statt. Ein »Einmaliges Konzert« der Geschwister Ernesti und Elmire Boucher (Violine und Klavier) Enkelinen des berühmten Violinenvirtuosen Alexander Boucher aus Paris, brachten am 19. November 1898 u. a. Kompositionen von Beethoven, Chopin, Liszt und Paganini zu Gehör.
Bild: Stadtarchiv Bad Frankenhausen
Wichtige Anlässe für Feierlichkeiten um Festessen abzuhalten, waren immer wieder die Geburtstage des Deutschen Kaisers und des Landesfürsten Günther von Schwarzburg-Rudolstadt. So auch am 21. August 1899, nachmittags 1.30 Uhr, als zum Wiegenfest seiner Durchlaucht des Fürsten Günther ein Bankett im Hotel »Thüringer Hof« ausgerichtet wurde. Das Gedeck kostete 3 Mark. Eingeladen hatten der Geheime Regierungsrat Klipsch, Amtsgerichtsrat Ross, Hauptmann z. D. und Bezirksoffizier sowie der zweite Bürgermeister Karnstedt von Frankenhausen. Cantor Gebicke hatte zu diesem Anlass extra ein sechs-strophiges Gedicht verfasst.
Der Wirt Heinrich Böse starb am 16. September 1899. Daraufhin übernahm seine Witwe Anna das Hotel; gab es aber bald auf.
Am 18. Juli 1900, Beginn 20 Uhr, hatte die Witwe noch einmal zu einem Opern-, Lieder-, Balladen- und Duettabend der Konzertsängerin Bertha Weinberg-Götze und des Opern- und Konzertsängers Hans Weinberg aus Berlin eingeladen. Der Eintritt betrug zwischen 1,50 Mark und 75 Pfennig.
Regionalmuseum
Bedeutender Wirtswechsel zur Wende des 20. Jh.
Der erfahrene Gastwirt Max Grützmacher (er bewirtschaftete zuvor 10 Jahre den Ratskeller der Stadt) bekam am 22. März 1902 die Konzession zu dem von ihm erworbenen »Thüringer Hof«. Die Eröffnung fand am 29. März statt. Dieser Wirtswechsel war bedeutend für das Aufleben des Gasthofes. Grützmacher war ein äußerst agiler Geschäftsmann. Er organisierte eine Vielzahl unterschiedlichster Veranstaltungen, war besonders an technischen Dingen (Betreiber eines Fahrrad- und Automatenhandels) interessiert und war Mitbegründer der Freiwilligen Feuerwehr Frankenhausen.
Noch im Jahr der Übernahme der Lokalität eröffnete er in den Parterreräumen ein Café.
Nun eine kleine Auswahl von Veranstaltungen, die der Wirt arrangierte, um das Haus voller Gäste zu bekommen:
- Vorträge mit dem »Rieſen-Grammophon« (1902),
- Tanzunterrit, Tanzlehrer Siewert (1902)
- Spezialitäten-Theater (1903),
- Feſteen zum Kaiſergeburtstag (jährli),
- Mukabend mit Geigerin Frl. Irene von Brennerberg und Frl. Graef unter gütiger Mitwirkung von Herrn Organiſt Räuber und Herrn Mukdirektor Viol (1903),
- Vortrag des Deuten Floenvereins: »Deutlands Rüſtung zur See« unter Vorführung zahlreier Litbilder (1904),
- Anſtands- und Tanzunterrit mit Herrn Hölzer und Sohn (1904, 1908),
- Konzert des Blinden-Männer-Quarte, Hannover (1904),
- Großes Konzert der verſtärkten Stadt- und Kurkapee unter gütiger Mitwirkung der Konzertſängerin Frl. Antonie Bekkert aus Leipzig und Violin-Virtuoſen Plümer (1905).
So manches Inserat verleidet uns zum Schmunzeln, wenn wir es heute lesen. So fand am 20. Januar 1904 ein Gastspiel von Martin Stein statt. Er kündigte an:
La bee Georgee
die Beherrerin von Feuer und Lit. Große Ferie (Märenaufführung) in 3 Abteilungen. Wunderbar prätige Liteffekte. Feuer- und Flammentanz in höſter Voendung...
Arga, die webende Jungfrau
Das größte Rätſel der Jetzeit. Eine Iuon auf freier Bühne bei voem Lit. Ae Beſuer in den veriedenen Großſtädten haben vergebli den Kopf zerbroen, ohne den Sleier des Rätſels lüen zu können...Der Eintritt belief sich von 1,25 Mark. (Sperrsitz) bis 40 Pf. für den Galerieplatz.
Der Cäcilienverein organisierte 1904 ein Jubiläums-Musikfest, zur Erinnerung an das vor 100 Jahren von Kantor Bischoff in Frankenhausen veranstaltete erste deutsche Musikfest. Die einheimische Wochenschrift »Das Echo« unterbreitete den Vorschlag, für Kantor Bischoff eine Gedenktafel zu stiften. Zur Unterstützung dieses Projekts veranstaltete Archediakonus Greiner am 15. Februar 1904 unter Mitwirkung von Frl. David, Musikdirektor Töpfer und Zeichenlehrer Wetzlar im Saal des »Thüringer Hof« einen Rezitationsabend, dessen Erlös die Kosten der Gedenktafel deckten.
Einbau einer »Centralheizung«
Im Dezember 1905 informierte Max Grützmacher seine Gäste über neueingerichtete Badezimmer. Die Kosten pro Bad betrugen 75 Pfennig. Der Stadtrat von Frankenhausen benachrichtigte am 22. Dezember 1909 des Fürstliche Landratsamt darüber, dass der Hotelier des »Thüringer Hofes« die Absicht hätte in seiner Lokalität eine Niederdruckdampfheizung zu installieren, und der Rat dagegen keine Bedenken sehe.
Hier zeigte sich das Interesse von Grützmacher am technischen Fortschritt. Noch vor Silvester des gleichen Jahres bekam er die Genehmigung, in den Räumlichkeiten des Erdgeschosses eine Dampfheizung von der Firma »Reichenbach« aus Frankenhausen einbauen zu lassen. Es war wohl zu diesem Zeitpunkt das erste Haus in Frankenhausen mit dieser technischen Neuerung.
Bild: Regionalmuseum
Neuem Anger-Brunnen war nur kurzes Leben beschieden
Vor dem »Thüringer Hof« wurde 1908 ein Zierbrunnen zum Gedächtnis an den Kommerzienrat Herrmann aufgestellt. Zuvor befand sich in diesem Bereich der »Angerborn«, ein Brunnen, an dem die Anwohner ihr Trinkwasser bis dahin holten. Jedoch hatte man diesen Born bereits 1902, mit Fertigstellung der Wasserleitung, abgetragen.
Den Entwurf zum neuen Brunnen lieferte der Berliner Bildhauer Dr. Adolf Graef. Die Witwe Herrmann hatte im Mai des gleichen Jahres den Antrag zur Errichtung des Denkmals gestellt. Der Vorschlag fand Zustimmung, denn Herr Herrmann war seit 1891 Ehrenbürger der Stadt. Besondere Verdienste erwarb er sich z. B. beim Aufschwung des Bergbaus in der Kyffhäuserregion sowie als Direktor der Pfännerschaft, bei der er den Ausbau des Oberen Bades (Kurpark) und die Neugestaltung des »Unteren Bades«, (heutiger Quellgrund) anregte. Die Witwe finanzierte den Bau und der Stadtrat verpflichtete sich u. a. zur Pflege des Brunnens und das nötige Wasser aus der städtischen Wasserleitung bereit zu stellen.
Die Einweihung des »Herrmannsbrunnen« erfolgte am 16. Dezember 1908. Er wurde aber schon um 1946/47 wieder abgerissen. Nach Information eines Zeitzeugen, sollen daran einige übereifrige Kommunisten nicht unschuldig sein. Herr Otto Schröder, ebenfalls Kommunist, aus Frankenhausen hatte obendrein die Idee, das »Kyffhäuserdenkmal« sprengen zu lassen.
Zeiten des Umbruchs, wie der Niederschlagung des NS-Regimes oder der Annexion der DDR durch die BRD bringen immer wieder wirre Fanatiker aller Couleur hervor, die der Ansicht sind, mit der Vernichtung von Denkmälern, Bildern und Schrifttum ganze Geschichtsepochen ausradieren zu können.
Rechts: Bau des Herrmannsbrunnen 1908
Fotos: Regionalmuseum und Stadtarchiv Bad Frankenhausen
Abwechslungsreiche Veranstaltungen
Im Januar 1910 gab es
Das einmalige Gaſtſpiel des ſenſationeen Phänomens der Gegenwart
der ruen, einzig exiſtierenden, ngenden Traumtänzerin Madeleine Trilby mit ihrer Geſea. Madeleine tanzt im Traumzuſtande ae klaen und modernen Tänze, ngt, iustriert auſpieleri Gedite und Monologe aer Art in künſtlerier Voendung und vernnbildlit ae menlien Empfindungen und Leidenaen in plaſtier Poſe...Auch in den nächsten Jahren boten viele Veranstaltungen den Gästen Abwechslung und Zerstreuung:
- 1909, Haſenausſpielen, erſter und leter Gewinn 1 weißer Haſe,
- Februar 1910, »Trotho von Treyden« einmaliger dramati-humoriſtier Abend, mit der Humoreske »Die Gloriahoſe«, der Satire »Der Kni im Ohr«,
ferner:
- »Das vierbeinige Geenk“ und »Magenkrank«...,
- 1911, 2 Elite-Cabaret-Abende,
- 1911, Großer humoriſtier Abend, Geſang, ete ſäe Komik und Theater der altrenommierten Direktion Oskar Bergen. Beer des Kunſteines der Regierung, mit einem hodezenten Familienprogramm.
Zu vielen Inseraten fragt man sich, was sich wohl damals im Einzelnen abgespielt hat...
Bild: Regionalmuseum
Regionalmuseum
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Nebenher nutzen die Frankenhäuser Vereine die Räumlichkeiten für ihre Zusammenkünfte:
- die Geſea Reource, lädt zu einem Konzert, Theater und Ba ein (1902),
- Geſea Erholung, Konzert und Ba (1903),
- Bürgerverein, Konzert und Ba (1904),
- Deuter Floenverein, Ortsgruppe Frankenhauſen, Verſammlung (1908),
- gemütlier Abend des Radfahr-Verein (1908),
- Hauptverſammlung des Internationalen Sportclub 1908 (1909),
- der Wienalie Verein traf zu einem Vortrag: Tizian und die venetianie Malerei (1912),
- die Freiwiige Feuerwehr, führte einen Feſtba, anläli des 18. Feuerwehrtages des Swarzburg-Rudolſtädter Landes-Feuerwehrverbandes dur (1912),
wobei die drei zuerst genannten Vereine den Saal öfters für sich beanspruchten.
Die Geburtsstunde der »Thüringer-Hof-Lichtspiele« war möglicherweise der 28. Oktober 1910, als der Flottenverein Frankenhausen im verdunkelten Saale drei kinematograpische Vorstellungen anbot, ausgeführt von der Gesellschaft »Minerva – Berlin«. Der Eintritt für Schüler betrug 10 Pfennig, und für Nichtmitglieder 30 Pfennig. Rauchen im Saal war verboten.
1912 laufen 15 öffentliche Lichtbildervorträge, der vierte Vortrag beschäftigte sich mit dem Problem »Wann kommt der Anti-Christ?«. Der Eintritt war frei.
Im darauf folgenden Jahr ist eine Bauzeichnung von G. Aschenbach, zur Schaffung eines Motorenraumes, schon mit dem Zusatz »Lichtspieltheater« überschrieben. Ein Jahre später ist es der Wissenschaftliche Verein, der zu einem Vortrag mit 125 Farblichtbildern zum Thema: »Eine Wanderung durch den Harz und das Kyffhäusergebirge« einlud. Der Vortrag des Herrn Kapitänleutnant Dr. Kniep aus Berlin: »Militärische Luftfahrt«, mit Lichtbildern, Eintritt 25 Pfennig, fand im April 1915 statt.
Viele neue Biersorten kamen im Gasthof zum Ausschank. So gab es »Edel-Dachs-Bock«, »Fürstenbergbräu«, »Würzburger Kaiserbräu«, »Herrenhäuser Pilsener«, »Aktienbier«, »Petzbräu«, »Radeberger Pilsener«, »Coburger -, Tucher- und Culmbacher Bier« und sicherlich auch einheimische Biere, um den Durst der Gäste zu stillen. Grützmacher hatte zudem »Bier-Syphons« in seinem Angebot. Dabei handelte es sich um Aufbewahrungsgefäße, ähnlich einer Bierflasche, aus Glas oder Keramik hergestellt, mit Bügelverschluss versehen.
1. Weltkrieg ließ Geschäfte schwinden
Der erste Weltkrieg hatte zweifellos Auswirkungen auf das Gastronomiegewerbe. Die Angebote wurden im Verlauf des Krieges immer spärlicher. Die Versorgungslage war erdrückend. Die Stadt Frankenhausen hatte 202 gefallene junge Männer zu beklagen. Das bekümmerte die Einwohner sehr. Genau wie in den anderen Gaststätten der Stadt liefen im »Thüringer Hof« die Geschäfte schlecht.
aus dem Jahre 1905
Regionalmuseum Bad Frankenhausen
Für den 10. April 1919 organisierte die »Ortsgruppe Frankenhausen und Umgegend des Volksbundes zum Schutze der Gefangenen« einen Wohltätigkeitsabend unter dem Leitgedanken »Gedenket der Not unserer Gefangenen«. Unter anderem berichteten zwei Betroffene von ihren Erlebnissen in der Kriegsgefangenschaft. Zum Abschluss wurde die Filme »Die große Sehnsucht«, »Die Hochvogesen« und »Die Kolonie Togo« aufgeführt. Die Eintrittskarte kostete im Vorverkauf bei Frau Bachmann, die ein Zigarrengeschäft in der »Kräme« führte, für einen nummerierten Platz eine Mark.
Möglicherweise war der Krieg daran schuld, dass Grützmacher den Gasthof im Januar 1920 verkaufte. Die Konzession erhielt der Hotelier Fritz Gerth, ein Hallenser, zuletzt wohnhaft in Ruhla. Er war im September 1919 aus englischer Kriegsgefangenschaft gekommen. Gerth hatte die Immobilie am 1. Februar erworben. Nach der Renovierung der Gasträume öffnete er den »Thüringer Hof« ab 1. März 1920 wieder und versprach seinen Gästen:
ff. Küe und Keer - Solide Preiſe - Spezial-Ausank »Löwenbräu Münen«, Auto-Garagen, Staungen, Zentralheizung, das ganze Jahr geöffnet
Zum Anziehungspunkt entwickelten sich in den folgenden Jahren die »Thüringer Hoflichtspiele«. Filmtitel lassen uns schmunzeln und geben Rätsel zum Inhalt der Vorführung auf, gezeigt wurde unter anderem:
- Club der Entgleiſten - Lord Percys erſtes Abenteuer (1923),
- Der Preisboxer - Filmburleske in 2 humorvoen Akten (1923),
- Mae Murray in Faſcination - Der Taumel einer Nat (1925),
- Liy der Spaenre - Luſtſpiel in 3 urfidelen Akten (1925),
- Blizug der Liebe/Doktor Stors Werkſta (1926) und
- Bräutigam mit 100 PS (1930).
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Erste Auswirkungen der Inflation
Im Verhältnis zu seinem Vorgänger waren Gerths Initiativen mit Hilfe von Veranstaltungen, Gäste in sein Hotel zu locken, recht bescheiden. Im März 1920 fand ein Gastspiel des süddeutschen Operettentheaters statt. Auf dem Spielplan stand
Die Roſe von Stambul
die beliebteſte Operee der Neuzeit! Am Berliner Metropoltheater über 700 Aufführungen...Im gleichen Monat fand ein Konzert- und Liederabend mit Herrn Lauermann, Bariton von Stadt-theater Frankfurt/Oder, und Herrn Völker, Salonhumorist vom Wintergarten Bochum statt.
Die Flugwissenschaftliche Vereinigung von Frankenhausen lud am 14. Dezember 1922 zu einem großen Luftfahrtkinoabend ein. Zunächst referierte Ingenieur Kromer. Anschließend spielte man
Aelus
den größten und intereanteſten Fliegerfilm, vom Start bis zum Untergang des Flugzeuges im Sneeſturm! (4 Akte!) und die großen motorloſen Weltrekord – Segelflüge in der Rhön (Neuer Fokker- Film), eine kinematographie Überraung für ae Frankenhäuſer!Der Eintrittspreis von 50 Mark kündigte die Zeit der Inflation an, die im Herbst 1923 ihren Höhepunkt erreichte. Am 1. November 1923 kostete in Frankenhausen zum Beispiel 1 Pfund Brot 260 Milliarden, 1 Pfund Fleisch 3,2 Billionen und 1 Pfund Butter 6 Billionen Mark.
1924 hatte der Wirt Gehrt die Fassade, insbesondere im Erdgeschoßbereich erneuert, um dem Hotel einen neuen Glanz zu verleihen. In der Gastwirtschaft wurde öfter »St. Benno Bier«, aus der »Münchener Löwenbrauerei« angestochen. Der halbe Liter kostete 55 Pfennig, einschließlich Bedienung.
Am 6. August 1924 fand ein
Frauen–Vortrag
mit vielen hointereanten bunten Litbildern, nur für Frauen und Mäden über 16 Jahrestatt. Themen waren: Warum sind viele Frauen unterleibskrank? und: Warum werden so viele Frauen viel zu früh alt? Referentin war Frau Anita Kroll vom Frauen-Verein Berlin.
Tolle Preise waren bei einem Preisskat im März 1925 zu gewinnen: Eine Steppdecke, ein Bügeleisen, eine Stehlampe, ein fetter Hahn, eine Flasche Kognak und eine Kiste Zigarren.
Vom 11. bis 13. Mai 1929 gab es eine Ölgemäldeausstellung zu besichtigen, wo unter anderem Landschafts- und Stillleben - Bilder vom Maler Hans Glässner, Hochheim-Erfurt gezeigt worden.
Frankenhausen wird »Bad«
Seit April 1927 durfte Frankenhausen die amtliche Bezeichnung »Bad« im Stadtnamen führen. Der Gedanke, die Stadt als Sole-Badestadt bekannt zu machen, ging hauptsächlich vom Verkehrsverein und der Badedirektion Frankenhausens aus und fand auch die nötige Unterstützung beim Gemeinderat. Mit dem neuen Ortsnamen wollte man werbewirksam das Kurwesen vermarkten. Aber die Benennung der Stadt als »Solbad Frankenhausen/ Kyffhäuser« fand kein Einverständnis beim Thüringer Ministerium für Inneres und Wirtschaft, auch nicht bei den Behörden der Bahn und Post. Es gab eine ganze Reihe von Argumenten gegen diesen Vorschlag. Nach längeren Verhandlungen zwischen den Ämtern und der Stadt hatte man schließlich mit dem »Bad« im Stadtnamen eine Übereinkunft gefunden.
Der Bauausschuss beschloss am 28. Oktober 1925 die Plakattafeln für Werbezwecke durch Plakatsäulen (Litfaßsäulen) zu ersetzen. Ab August 1927 konnte man diese zehn Plakatsäulen entsprechend nutzen. Die Aufstellung hatte die Stadt finanziert und dem Reklamebüro Lebrecht Pauli verpachtet. Auch gegenüber dem »Thüringer Hof« stand eine solche Reklamesäule. Das Pachtrecht wurde bis Juni 1949 mit mehreren Unterbrechungen aufrechterhalten, danach verschwanden diese Werbeträger wieder aus der Stadt. Erst seit dem traditionellen Bauernmarkt 1992 gab es in der Erfurter Straße wieder eine originalgetreue Nachbildung der erstmals 1854 in Berlin aufgestellten Litfaßsäule. Sie musste aber schon 2006 einem Brunnen weichen, der bis heute vor dem Gasthaus »Zum Schwan« plätschert. Die bis heute (2019) einzig verbliebene Litfaßsäule in Frankenhausen befindet sich auf dem Jungfernstieg.
Wie schon erwähnt, wurde in unserer Stadt auch Weinbau betrieben. Aber die Frankenhäuser Magen müssen zu damaliger Zeit so mancherlei gewöhnt gewesen sein. Man trank den so genannten »Löffelwein«, ein Absud vom einheimischen Frankenhäuser Wein und dem Froschlöffel (Alisma plantago) – einer Sumpfpflanze. Ein Getränk, von dem ein Berliner Badegast in einer dortigen Zeitung schrieb, es sei ihm beim Trinken gewesen, »als ob mit einer ret arfen Bürſte ihm jemand den Slund hinab gefahren ſei, außerdem häe dieſes edle Getränk eine ſehr durlagende Wirkung«
Über die nun folgenden Jahre gibt es nichts sonderlich Interessantes zu berichten. Die Pächter wechselten in rascher Folge.
Eine makabre Information besagt, dass eine Zwangsvollstreckung gegenüber Fritz Gerth notwendig gewesen war, weil er auf Grund von Kriegsverletzungen (»hae Kopfüe erlien«), angeblich nicht mehr in der Lage war, die Gastronomie zu leiten.
Mitte Mai 1931 stellte der Pächter Ernst Osang den Konzessionsantrag für das Hotel. Eigentümer der Immobilie war in der Zwischenzeit (11. Februar 1931) die Frankenhäuser Pfännerschaft geworden. Am 22. Mai fand die Eröffnung des vollständig renovierten »Kurhaus-Hotels Thüringer Hof« statt. Osang war langjähriger Oberkellner im Hotel »Schwarzer Bär« Gera. Der Umbau und die Neueinrichtung der Gast- und Wirtschaftsräume, der Übernachtungszimmer, des geräumigen Gesellschaftssaales, nicht zuletzt der Neubau von W.C. Anlagen und des Baderaumes brachten vielen einheimischen Handwerkern lohnende Beschäftigung und linderte etwas die Arbeitsnot in der Stadt.
Der Saal, der bisher zum großen Teil für Kinoveranstaltungen Verwendung fand, wurde nun zu gastwirtschaftsbetrieblicher Nutzung umfunktioniert. Damit war das Ende der »Thüringer Hof-Lichtspiele« besiegelt. Das letzte Inserat in der Frankenhäuser Zeitung von einer Kinoveranstaltung stammt vom 12. Dezember 1930. Es liefen die Filme: »Unſer tägli Brot« – »Die Frau aus Chicago« und als »zweiten Schlager« gab es den großen Tom-Mix-Film – »Die Mädenfarm« zu sehen - »Ein Wildweſtdrama von atemberaubendem Tempo«. Diese Entscheidung war wohl auch notwendig, weil mit der Eröffnung des »Lichtspieltheater« im Städtischen Theatersaal am 27. November 1925 durch Walter Kammlott eine starke Konkurrenz bestand, und sich für die Stadt zwei Kinos nicht rentierten.
Foto: Stadtarchiv Bad Frankenhausen
Ein weiterer Grund war gewiss die Weltwirtschaftskrise, die viele Frankenhäuser arbeitslos machte und diese somit kein Geld für Kinobesuche übrig hatten. Zur Erstaufführung gelangten im »Lichtspieltheater« einer der neuesten Ufa–Schlager: »Der Sturm bricht los« oder »Windstärke 9« dazu »Pat und Patachon« und die Ufa–Wochenschau mit den neuesten Nachrichten aus aller Welt.
Den Saal des »Thüringer Hof« nutzten in der Folgezeit die Frankenhäuser Vereine für ihre Zusammenkünfte. Der K.K.-Schützenverein traf sich Mitte Januar 1933 zu seiner Jahreshauptversammlung. Als Gäste waren vom Vorstand der Schützengesellschaft Oberleutnant Schönberg, Leutnant Hildebrand sowie Bürgermeister Heß als Ehrenmitglied anwesend. Der Vorsitzende, Kamerad Pauli, eröffnete die Versammlung mit den Worten des Dichters Ernst Moritz Arndt:
Sehet auf das junge Gelet, erzieht, ritet und bildet es, daß Männer aus ihm werden!
Ein ambivalenter Gedanke, denn spätestens mit der Machtergreifung des Hitler-Regimes war klar, was damit beabsichtigt war: Kanonenfutter für den neuen Krieg.
Die Technische Verbindung »Thuringia«, eine Vereinigung von Studenten des »Kyffhäuser-Technikums« veranstaltete am 9. Juli 1933 ein Tanzvergnügen. Eigene Initiativen, außer einer Modenschau verbunden mit Tanzeinlagen, die im Dezember 1935 stattfand, suchen wir bei dem damaligen Wirt Osang vergebens.
Die neue Adresse des Gasthofes lautete zu diesem Zeitpunkt bereits »Adolf-Hitler-Platz 19«. Die Umbenennung erfolgte anlässlich des 44. Geburtstages des Führers am 20. April 1934. Solche Namensänderungen von Plätzen und Straßen, selbst Städten nach »Persönlichkeiten« wurden schon früher praktiziert.
Foto Bark
Wirt Osang hinterlässt Steuerschuld
Seit dem 1. April 1936 hatte der Pächter die Bewirtschaftung des »Hotel Münch« in Sondershausen mit übernommen. Sein Sohn Fritz Osang, gelernter Koch, der bereits 5 Jahre im Hause mit tätig war, bekam vom Vater die Leitung des Frankenhäuser Hotels übertragen. Der Pachtvertrag zwischen der Frankenhäuser Pfännerschaft und Osang lief bis zum 1. Juli 1936. Da die Immobilie zum Verkauf stand, hatte sich der Mieter bereit erklärt, bei einem Verkauf die Bewirtschaftung sofort aufzugeben. Doch zum Verkauf des »Thüringer Hofes« kam es nicht. Osang löste trotzdem den Pachtvertrag mit der Begründung, das Haus »Münch« in Sondershausen weiterführen zu wollen. Nachdem der ehemalige Wirt sich aus Bad Frankenhausen verabschiedet hatte, stellte das Finanzamt fest, dass Osang, der als Pacht 10 % des Umsatzes zu zahlen hatte, in den letzten 3 bis 4 Jahren über 50.000 Reichsmark zu wenig angegeben hatte.
Beschwerden über Beschwerden unter SA-Mann Rieß
Ab September 1936 pachtete Hans Rieß das Kurhotel »Thüringer Hof« von der Pfännerschaft (zuvor Besitzer des Hotels »Zum Schwan« in Marktredwitz/Bayern) mit einer Pacht von 10 Prozent des Umsatzes. Auch er investierte Geld zur Verschönerung der Gasträume, und öffnete am 25. November 1936. Die Kapelle »Fliegerhorst« aus Erfurt gestaltete den Eröffnungsabend.
Von den letzten zwei Pächtern nicht gerade verwöhnt, erlebten die Frankenhäuser mit der Familie Rieß wohl den absoluten Tiefpunkt, was die Gastlichkeit betrifft. Zum Glück war es nur ein knappes Jahr, in dem er zusammen mit seiner »fleißigen Frau« die Gäste aus Nah und Fern »verwöhnte«. Rieß beteuerte zwar recht vollmundig gegenüber dem Kreisamt Sondershausen:
I bin Famann, au meine Frau iſt ſehr tütig im Fa und wir waren zulet im elterlien Geä »Hotel Swan« in Marktredwi tätig und führten dasſelbe die leten 3 Jahre in eigener Regie. Das Hotel »Thüringer Hof« wird von mir und meiner Frau auf ſolideſter Weiſe als Haus erſten Ranges geführt werden...
Schon im Vorfeld deutete sich an, dass dies nur leere Worte waren. Die Auskünfte, die der Bürgermeister Frankenhausens von seinem Amtskollegen in Marktredwitz einholen ließ, sagten etwas anderes aus: »Die Ehefrau des Genannten war im Geä wenig beäigt«. Auch in Bezug auf seine Tätigkeit und dem Wohnsitz traten Widersprüche auf. Hans Rieß war im SA-Sturm 2/28 Stab/Standartenführer, Sitz Hof.
Auf Anfrage, ob in seinem Register Vorstrafen verzeichnet sind, stand: »angebli nit«, eine recht merkwürdige Formulierung. Aber alles kein Problem, er stand ja als Mitglied der NSDAP auf der »richtigen Seite«.
Nicht nur die Gäste mussten einiges von diesem »Wirt« ertragen, auch die Behörden hatten mit dieser Person so manches durchzustehen. Die Polizeiverwaltung wegen Überschreitung der Polizeistunde, an der Rieß selbstverständlich nicht schuld war, wie er versicherte. Die Bauaufsicht musste mehrmals 2 Zeichnungen vom Hotelgebäude anfordern. Bauliche Auflagen zögerte er hinaus oder bürdete sie der Pfännerschaft auf, denn er war ja nur Pächter der Immobilie.
Eine Hauszinssteuer und andere Zahlungsrückstände beschäftigten das Finanzamt Sondershausen. Es gab Diskrepanzen mit der STAGMA, der damaligen Staatlich genehmigten Gesellschaft zur Verwertung musikalischer Urheberrechte (Vorläufer der GEMA). Jeder Veranstalter musste bei öffentlichen Auftritten eine Vergütung leisten, die nach Abzug einer Verwaltungsgebühr den Berechtigten auszuzahlen war.
Gäste, die schriftlich Beschwerde gegen den Wirt erhoben, waren vermutlich nur Mitglieder der NSDAP und Personen in einflussreichen Positionen. Der gemeine Mann/Frau getraute sich derartiges Vorgehen wohl nicht, denn der Einfluss dieses SA-Mannes war gewiss nicht zu unterschätzen.
Anfang Dezember fand im Hotel eine Bezirksbauernversammlung statt. Diese war drei Tage vorher angemeldet. Der Versammlungsraum war in einem derartig kalten Zustand, dass die Anwesenden die Mäntel anbehalten mussten. Die Teilnehmer äußerten, dass sie in einem derartigen Lokal niemals wieder eine Versammlung abhalten würden.
Am 28. Dezember 1936 beschwerte sich der Ratsherr Dietrich gleich über zwei Veranstaltungen. Am ersten Weihnachtsfeiertag ging Herr Dietrich zum Frühschoppen in den »Thüringer Hof«. Er musste feststellen, dass der Gastraum recht kalt war. Daraufhin verließ er mit seinen Bekannten das Lokal. Auch das Bier wäre sehr kalt gewesen. Am gleichen Tag fand ein »Bunter Abend« statt, und der Ratsherr fand einen überfüllten Saal vor. Die Darbietungen wären »unter aller Kritik«, der Ansager niveaulos und die Klavierbegleitung der Tänzerin unzureichend gewesen. Dieser Meinung waren auch viele andere Gäste. »Im Interee der Stadt mae i darauf aufmerkſam, da verſut wird, derartige Entgleiſungen in Zukun zu vermeiden«.
Foto: Regionalmuseum
Den absoluten Höhepunkt von Grobschlächtigkeit und Unhöflichkeit erreichte die Familie Rieß mit der Beköstigung und Unterbringung von Herrn Ritscher. Nach Anfrage der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), hatte sie sich bereit erklärt, einen Adolf-Hitler-Freiplatz zur Verfügung zu stellen. Ihr Gast traf am 10. Juli 1937 nach schriftlicher Anmeldung, auf dem hiesigen Bahnhof ein. Am Zug war jedoch niemand, der ihn abholte, so dass er seinen schweren Koffer zum Hotel tragen musste. Herr Ritscher informierte die NSV, mit welchen unfreundlichen Mienen vom Gastwirtsehepaar begrüßt wurde. Frau Rieß erklärte ihm, dass sie keinen kranken Mann als Gast erwartet habe, sondern einen Erholungsbedürftigen. Das Zimmer, in dem er untergebracht war, lag im Seitengebäude, das Fenster dem Hof zu. Das Hausmädchen hatte es nach dem Mittagessen oft noch nicht aufgeräumt, das Bett war nicht gemacht, das schmutzige Waschwasser stand noch da. An eine Mittagsruhe konnte Ritscher durch das »dauernde Gekeife« der Frau Rieß mit dem Küchenpersonal nicht denken. Die Toilette im Seitenflügel war verstopft, voll mit Scheiße und die Würmer krochen darin herum, der Gestank drang bis auf den Flur. Auf Anfrage beim Wirt zu diesem untragbaren Zustand erwiderte dieser, er könne keinen Handwerker bekommen. Als Mittagessen bekam er minderwertige Speisen vorgesetzt, im Gegensatz zu den anderen Kurgästen. Nachtisch habe er nie bekommen. Er fühle sich wie ein Bettler.
Diese Umstände machten einige der Gäste aufmerksam z. B. einer Dame und einem Herrn, beide aus Berlin. Ein Herr Thom, ebenfalls SA-Mann, fühlte sich dadurch ebenfalls beleidigt. Auf Nachmittagskaffee und Abendbrot musste Herr Ritscher mindestens eine halbe Stunde warten. Waren andere Gäste im Lokal, kam er grundsätzlich als Letzter dran. Das Essen war immer zu wenig, und er habe sich selbst Wurst gekauft. Die dünne Erbsensuppe - angeblich mit Speck (war wohl nur eine Speckschwarte), die man ihm am Ankunftstag vorsetzte - habe er nicht gegessen. Eine Dame hatte ihm ihr Essen, das aus Roulade, Gemüse usw. bestand, zur Verfügung gestellt. Er wollte es eigentlich nicht annehmen. Aber sie bedrängte ihn hartnäckig, weil Herr Rieß unbedingt merken sollte, »da e nit mehr mit anſehen könne, in weler Weiſe der SA–Mann Riter behandelt würde«. Über diesen »Service«, den die Familie Rieß ihren Gast angedeihen ließ, informierte sie die NSV, ohne Wissen von ihm.
Auch Herr Ritscher hatte eine Beschwerde bei der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt eingereicht. Daraufhin fand er bei der Familie Starkloff (früher »Lindenhof«) Unterkunft, wo es ihm sehr gut gefiel.
Zum Schluss äußerte dieser noch, dass er oft unzufriedene Gäste gesehen habe, die stundenlang auf das Essen warten mussten. Insbesondere die Frau Rieß sei als Wirtin absolut unmöglich und ungeeignet. Sie hatte sich Besuchern gegenüber geäußert, »da es ihr nit an der Wiege geſungen worden wäre, da e in ihrem Leben no einmal Gäſte bedienen müe«. Während seiner Anwesenheit im »Thüringer Hof« haben Ober, Hausdiener und Hausmädchen gekündigt.
Die Liste der Unverschämtheiten die Herr Ritscher anprangerte, war damit aber noch nicht abgeschlossen. Der Wirt Hans Rieß wehrte sich natürlich ganz energisch gegen diese Anschuldigungen.
Seine Begründung:
I bin Parteimitglied und habe ſeit 1927 in meinem Hauſe in Marktredwi die führenden Männer der Partei, einließli des Führers Adolf Hitler beherbergt und bewirtet und i möte mi ganz entieden dagegen verwahren...
Im September 1937 endete letztendlich das »braune Kapitel« des Hotels »Thüringer Hof«.
Seit dem 1. Oktober 1937 bewirtschaftete Walter Koch als neuer Pächter den Gasthof. Er war gelernter Kellner, arbeitete dann als Oberkellner in Aschersleben und leitete zuvor als Selbständiger das Schützenhaus in Wettin (Saalkreis) und Hotel »Schwarzer Bär« in Aken an der Elbe. Seine Ehefrau, ebenfalls schon 11 Jahre im Gastwirtsgewerbe beschäftigt, brachte die erforderlichen Kenntnisse der Gastronomie mit. Der Wirt - im Besitz des weißen Berufsausweises - bekam zunächst einen befristete Konzession und am 20. Mai 1938 die Erlaubnis zum Betrieb der Gast- und Schankwirtschaft »Thüringer Hof«.
Das heißt Ausank von Bier (etes Barbaroabräu und Mathäſerbräu), Wein, Spirituoſen, nitgeiſtigen Getränken und Verabreiung von Speiſen in 2 Räumen des Erd- und 1. Obergeoes und Saal und Beherbergung von Fremden in 16 Räumen des 1. und 2. Obergeoes
Die Pacht betrug 8,5 % bis 30.000 Mark Einnahmen, darüber 10 %. Als Auflage sollte Koch einige bauliche Veränderungen vornehmen lassen.
Die in diesem Beitrag gemachten Äußerungen spiegeln die ganz persönliche Sichtweise des Verfassers, Peter Kawe, wider.
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