(Vortragstitel: »Raketenbau und -entwicklung im Bleicheroder Raum«)
Bleicheroder Forscher begeisterte
Über 80 Besucher versammelten sich am Dienstag, den 21. November 2017 um halb acht im großen Festsaal im Schloss zu Bad Frankenhausen. Eingeladen hatten der Heimat- und Museumsverein sowie das Regionalmuseum selbst. Der letzte Vortrag in diesem Jahr zog noch einmal alle Register. Kein geringerer als der »Raketen-Spezialist« Diplomingenieur Gunther Hebestreit sorgte für volles Haus und spannende zwei Stunden Hintergrundwissen zur Raketenentwicklung im Bleicheroder Raum.
Der Referent litt zwar unter einer Erkältung doch das machte seinem Vortrag keinen Abbruch. Unter den Gästen – das wurde sehr schnell offensichtlich – eingefleischte »Raketenfans«, denen keine Entfernung zu groß war, um hier ihrem Steckenpferd zu frönen.
Herr Hebestreit begann mit den Anfängen der Raketentechnik und solchen Pionieren wie Konstantin Ziolkowski, Hermann Oberth und natürlich Wernher von Braun. Er zeigte deren bescheidene Anfänge in Berlin-Kummersdorf, den Aufbau und Umzug nach Peenemünde und schließlich die Verlagerung in den Bleicheroder Raum. Dabei wendete Hebestreit stets ein, dass er bestimmte Themen nur anreißen könne, um nicht die ganze Nacht im Museum verbringen zu müssen.
Seine Ausführungen untermauerte er stets mit Dokumenten, manche davon erst kürzlich freigegeben. Er erklärte, dass er selbst nicht viel von den ganzen Foren im Internet halte, da dort zu viele Spinner ihr Unwesen treiben. Er halte sich lieber an Fakten und – soweit noch lebend – Zeitzeugen.
Hebestreit wies dann auf die Errichtung der Mittelwerke bei Nordhausen, infolge der schweren Bombardierung Peenemündes, hin. Dazu erläuterte er neuere Hinweise auf eventuelle Stollensysteme im Himmelsberg/Mühlberg bei Woffleben.
Natürlich wurde auch die Technik an sich beleuchtet, was für manchen vielleicht ein wenig zu komplex wurde. Man merkte sehr schnell, wann Hebestreit in seinem »Element« war.
So führte er u.a. die Raketen »A4« (A steht dabei für »Aggregat«), »A5«, bis hin zur »A9/10« sehr anschaulich dar. Er brachte sogar eine in neueren Dokumenten immer wieder aufzufindende etwa 30 Meter hohe und 1.800 km weitreichende »V 101« zur Sprache, die aber rein gar nichts mit den sogenannten »Vergeltungswaffen« (V-Waffen) zu tun hätte. Dazu bedarf es aber noch einiger Forschung.
Ein gewichtiger Punkt seiner Ausführungen waren aber auch die tausenden von Arbeiter, die unter unmenschlichen Bedingungen ihre Arbeit verrichten mussten, um somit die Voraussetzungen für die Untertageproduktion der Waffentechnik zu schaffen – mehrere Tausend überlebten diese Torturen nicht.
Darüber hinaus hob er auch die Bedeutung der Alliierten hervor, dem ganzen Kriegstreiben Deutschlands ein Ende zu setzen. Er betonte aber gleichzeitig deren Machenschaften, um an die begehrte Technologie sowie auch an die »Hardware« zu kommen. Hebestreit machte keinen Hehl daraus, dass hierbei alle Alliierten nicht frei von Blut an ihren Händen sind.
Aber es gab nicht nur Theorie, sondern auch Technik zum Anfassen. Hebestreit brachte einige Originalteile einer »A4«-Rakete - genauer gesagt: Zerstäuberdüsen - mit, die man hautnah bestaunen konnte. Aber auch ein Relikt aus neuerer Zeit zierte den Exponate-Tisch. Ein Kosmonauten-Handschuh, der bereits auf der russischen Raumstation »MIR« seinen Dienst tat, zog staunende Blicke auf sich.
Und wer sich etwas Wissen mit nach Hause nehmen wollte, der konnte ein Exemplar von Hebestreits Buch »Raketen aus Bleicherode Raketenbau und Entwicklung in Bleicherode am Südharz 1943-1948« erwerben.
Ein kurzer Überblick über die in den wirren Jahren 1943-1945 entwickelte Raketentechnologie – bei der Hebestreit u.a. erläuterte, dass bereits damals eine Kamerasteuerung als Zielsuchsystem der Raketen entwickelt und auch eingesetzt wurde, und man diese »Spielereien« heutzutage nicht überbewerten solle – sowie die Nutzung der einzelnen Bleicheroder Gebäude damals und heute, bildeten dann den Abschluss des Vortrages. Zu diesem sah sich der Referent ein wenig getrieben, da es bereits nach halb zehn war und er gewiss noch mehr hätte anbringen können.
Doch somit besteht vielleicht die Option eines weiteren Vortrages hier im Regionalmuseum, auf den sich nicht nur wir besonders freuen würden.
Wir wünschen Herrn Hebestreit für seine weitere Forschung weiterhin viel Erfolg.
Jens Schreiber