Von der Schuhfabrik zum Kombinat »Paul Schäfer«
Für das Geburtsjahr der Schuhfabrik Erfurt steht das Jahr 1872. Der Gründer war der Kaufmann Eduard Lingel, der von 1848 bis 1922 lebte. Begonnen hat die Erfolgsgeschichte einer 120 Jahre langen Tradition der Schuhherstellung mit Heimarbeit.
In den 1920er Jahren war jeder Dritte in den Schuhbetrieben tätig und Erfurt galt als eines der größten Schuhzentren Deutschlands. Im Jahr des Todes von Lingel, 1922, produzierte das Unternehmen mit 2.200 Angestellten zwei Millionen Paar Schuhe.
In Kriegszeiten arbeiteten hier noch rund 500 Mitarbeiter. Der Personenstamm ging um über die Hälfte zurück. Nach dem 2. Weltkrieg erfolgte laut dem »Demontagegesetz für Rüstungsbetriebe« eine Demontage von 1.200 Maschinen.
Nach der Enteignung bzw. Übergang in Volkseigentum 1948 von »Hofmann & Stenger«, einem der bedeutendsten Unternehmen zur damaligen Zeit, wurde daraus der »VEB Koralle«. Gemeinsam mit der »Fabrik Hess« entstand der »VEB Schuhfabrik Thuringia«.
* 17. April 1849 in Königsberg/Bayern
† 27. Februar 1922 in Hamburg
Trotz altersbedingter Schwäche der Bilder sind doch die damaligen Transmissionen (Flachtreibriemen), die von einer Dampfmaschine angetrieben wurden, gut zu erkennen.
Während der Epoche der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) verschmolzen alle Schuhfabriken zum »VEB Schuhkombinat ,Paul Schäfer‘«. Rund 4.300 Beschäftigte produzierten hier täglich 27.400 Paar Schuhe. So verband man den Standort Erfurt, wo schon der Gründervater Lingel seinen Standort hatte, mit dem Namen »Paul Schäfer« und den guten Schuhen aus einem florierenden Industriezweig.
Zur Schuhfabrik gehörten insgesamt 12 Werke mit 28 Produktionsstätten, unter anderem in Erfurt, Gotha, Bad Langensalza, Bad Frankenhausen und Wiehe. Im Betrieb waren um die 6.000 Mitarbeiter beschäftigt.
Nach vielen erfolgreichen Jahren, kam dann die Wendezeit (1989). Bis dahin galt das Stammwerk in Erfurt als größter Damenschuhproduzent Europas. Nach der Wende entstand aus der »VEB Schuhfabrik ,Paul Schäfer‘« die »Lingel Schuhfabrik GmbH«.
Dem ständigen Konkurrenzdruck von Firmen aus anderen Ländern, »Billig-Schuhherstellern«, ausgesetzt, hielt die »Treuhand-Gesellschaft« aus Berlin dann 1992 ihre Hand über das Objekt. Zu diesem Zeitpunkt endete ein Vorzeigeproduktionszweig der DDR. Er wurde sang- und klanglos abgewickelt. Dies war gleichzeitig das Ende der Ära der Schuhproduktion in Ostdeutschland.
Die historischen Fabrikgebäude in Erfurt an der Arnstädter Straße wurden im Jahr 2000 restlos abgerissen.