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Spaziergang 6

Anger - Hausmannsturm - Schlachtberg - Tilledaer Steig - Morgenbrodstein - Pfützenthal - Gitenkopf (Schönster Blick auf den Burgberg mit dem Denkmal) - Rathsfeld oder das Waldschlösschen zurück nach Frankenhausen

Diesmal soll es etwas weiter gehen als bisher, und da wir auf unserem Spaziergange wenigstens mehrere Stunden lang keine Gelegenheit haben, eine Erfrischung zu uns zu nehmen so ist es gut, wenn wir uns mit etwas Essbarem und einem Trunke versorgen.

So ausgerüstet gehen wir vom Anger aus die Nappe hinauf, an dem Kinderbad und Dampfbad vorbei bis zur nächsten Ecke, wo wir uns links wenden und in der Verlängerung der Langenstraße bergauf schreiten bis zur nächsten Straßenkreuzung. Sodann gehen wir an der Nordseite des Kirchhofs der Oberkirche, zwischen diesem und einer Reihe Häuser entlang bis zur Verlängerung der Schwedengasse.

In dem Hohlwege geht es weiter bergauf bis zu einer Treppe, deren Stufen wir langsam ansteigen, wobei wir den unteren Eingang der Wirtschaft zur Frankenburg zur Linken lassen Am oberen Ende der Treppe angelangt, wenden wir uns links und stehen nach wenigen Schritten dem Hausmannsturme nahe gegenüber, der sich auf einem niedrigen Hügel in der Mitte eines halbkreisförmigen Wallgrabens erhebt, an dessen Hange entlang ein Weg bis zur Westseite des Turmes läuft und dort über eine Treppe hinab bis zur Wippermannstraße führt.

Da, wo wir stehen, bemerken wir eine Bank nebst Tisch, denn diese Stelle ist derjenige Aussichtspunkt, von dem aus man den schönsten Blick auf die Stadt hat, die man hier vollständig und bis in alle Einzelheiten genau übersieht. Dabei ist auch die Fernsicht genügend ausgedehnt, die besonders nach der Südostseite eine schöne ist und ins Unstrutthal hinein reicht. Diese landschaftlichen Reize sind es auch gewesen, denen die Wirtschaft zur Frankenburg ihre Entstehung verdankt, und es ist wohl zu verstehen, wenn der Fremde an den Wochentagen hier gern verkehrt und, das Nützliche mit dem Angenehmen verbindend, sich in aller Ruhe der Betrachtung des schönen Bildes hingiebt.

Übrigens ist unser jetziger Standpunkt noch durch etwas Anderes interessant. Stelle Dich mal dem Kirchturm gegenüber, wende dein Gesicht dorthin und rufe irgendein Wort laut aus. Du bemerkst, es ist hier ein schönes und gut ausgeprägtes Echo.

Nach diesem Aufenthalte von nur kurzer Dauer setzen wir unsern Weg fort und folgen demselben, in nördlicher Richtung zwischen Äckern allmählich bergauf steigend, bis dieselben endigen und Anpflanzungen von allerlei Bäumen und Gebüsch Platz machen, die vielleicht in späteren Jahren angenehmen Schatten spenden werden.

Der Weg geht in gerader Richtung zwischen zwei Reihen junger Kastanienbäume an einem Steinbruche, der zur Linken liegt, vorbei und mit geringer Steigung weiter, wendet sich zuletzt etwas nach rechts und führt quer über ein mit kurzem Rasen bewachsenes Plateau, auf welchem eine Anzahl Wallnussbäume angepflanzt sind, um gleich darauf in einen Fahrweg einzumünden, der von links heraufkommt.

Dieser Weg zweigt sich bei Bellevue von der Wippermannstraße ab und führt durch das sog. »Wüste Kalkthal« zuerst ziemlich steil aufwärts, bis er oberhalb eines Steinbruchs die Höhe erreicht hat und sich in zwei Äste gabelt.

Der südliche von diesen beiden ist es, auf den wir jetzt gestoßen sind, und den wir nun in nordöstlicher Richtung verfolgen, bis er nach wenigen Schritten in einen breiten Fahrweg verläuft, der von rechts her aus südlicher Richtung den Schlachtberg heraufkommt, weiter unten auf einer längeren Strecke nur für Fußgänger passierbar und auf den Landkarten mit dem Namen »Blutrinne« bezeichnet ist.

Dieser Name erinnert an die berühmte Bauernschlacht, die etwa in der Gegend getobt haben muss, in der wir uns jetzt befinden, denn die fliehenden Bauern eilten zum Teil in dem »Wüsten Kalkthal«, zum Teil den Berg direkt nach Süden hinab, und der Überlieferung nach soll das Blut der Erschlagenen auf diesem letzteren Wege den Berg hinab bis ins Thal geflossen sein, woher die vorher genannte Bezeichnung des Weges ihren Ursprung haben soll. Im Volksmunde heißt der Weg das »Rinnfässchen«

Auf dem Berge drüben im Osten, der jenseits der vor uns liegenden Schlucht sich erhebt, saßen die Weiber und Kinder der Bauern, welche beim Anblick des Blutbades, das die Ritter anrichteten, laut schrien, woher der Berg den Namen »Heulen und Geschrei« bekam, woraus dann im Laufe der Zeit durch Missverständnis die Benennung »das Eulengeschrei« geworden ist, welche die Schlucht und der Berghang jetzt im Volke trägt.
Hierbei sei erwähnt, dass in dem Garten der hier allgemein unter dem Namen »Rennaus Erdfall« bekannt ist und sich am unteren Ende des »Wüsten Kalkthales« befindet, vor mehreren Jahren bei Gelegenheit einer Ausschachtung Schädel und Blechhauben gefunden sind, die am Hinterkopfe eingeschlagen waren und jedenfalls von Bauern stammen, die damals gefallen und gleich an Ort und Stelle eingescharrt worden sind.

Wir gehen nun auf dem Fahrwege in nördlicher Richtung weiter, wobei wir eine kurze Strecke lang noch eine ganz geringe Steigung überwinden müssen, und bemerken bald darauf einen Fahrweg, der von links in unseren Weg einmündet und auch bis zu dieser Stelle ansteigt. Das ist der andere, etwas mehr nach Norden verlaufende Ast des aus dem »Wüsten Kalkthale« heraufführenden Weges.

Jetzt haben wir die Höhe erreicht und schreiten ziemlich horizontal in der alten Richtung weiter bis wir zu einer Stelle kommen, wo der Weg sich gabelt und außerdem einen andern kreuzt.

Der letztere führt nach rechts in südöstlicher Richtung zum Bärenthale, einem schönen Waldthale, das seinen Namen daher bekommen hat, weil dort die letzten Bären, die früher in den Kyffhäuserforsten nicht selten waren, erlegt worden sind. Die Fortsetzung nach links hat zunächst beinah westliche Richtung, biegt dann aber in ein Thal ein, welches südwestlich verläuft und beim Kilometersteine 1, gerade gegenüber dem Anfange des Wilhelmsteiges, auf die Kelbraer Chaussee endet. Dieses Thal heißt das Nappthal, und in der Nähe seines unteren Endes, das wir gleich bei unseren ersten beiden Spaziergängen Spazg. 1Spazg. 1Spazg. 2  zur Rechten der Chaussee kennen gelernt haben, liegt der Judenfriedhof.

Von den beiden Ästen, in welche sich unser Weg gabelt, führt der rechte auf eine vorspringende Waldecke zu, und da, wo der Wald beginnt, ist rechts vom Wege ein niedriges Kreuz aus Stein, weshalb die Stelle Jägers Kreuz heißt.

Diesen Ast lassen wir rechts liegen und gehen auf dem breiten Fahrwege weiter, der die eigentliche Fortsetzung unsres bisherigen Weges ist und von der Gabelungsstelle ab nordwestliche Richtung hat. Wir kommen noch an ein paar Wegen vorbei, die links abgehen, aber nur für den Ackerbaubetrieb angelegt sind, und bemerken dann links vom Wege ein Gebäude. Dies ist ein Pferdestall, in welchem die Pferde Mittags über während der Bestellzeit untergebracht werden, um dadurch Zeit um Kraft zu sparen.

Eine kurze Strecke hinter dem Stalle geht links wieder ein Weg ab, der sich gleich darauf gabelt. Der eine Ast führt nach »Schulzes Häuschen«, das wir links auf einem Hügel inmitten einer Baumgruppe liegen sehen, und das seinen Namen von seinem Besitzer hat, der früher auch Eigentümer der großen, ausgedehnten Ackerfläche war, die links und rechts von unserem Wege liegt. Nach dem Verkaufe dieser letzteren behielt er sich für Lebenszeit das Eigentumsrecht des Häuschens vor, um dort als echter Naturfreund so oft wie möglich die schönen Sommermorgen und -abende zu genießen, weshalb seine Freunde das Häuschen scherzweise »Varzin« genannt haben. In der Nähe des Häuschens hat man einen sehr schönen Ausblick nach Süden und kann dort an hellen Tagen bei klarer Luft den Thüringerwald und insbesondere den Inselsberg sehen. Der andere Ast verläuft südwestlich, und seine Fortsetzung ist die Schlucht, die den Rudolfsteig kreuzt, und deren unteres Ende bis zur Kelbraer Chaussee reicht. Spazg. 2

Heute ist jedoch unser Ziel weiter gesteckt, deshalb gehen wir ruhig auf unserem Wege ohne Richtungsänderung geradeaus weiter und treten nach Durchschreitung einer Pforte des Wildgatters in den Wald ein, einen Weg zur Linken liegen lassend, der in ungefähr westlicher Richtung am Walde entlang läuft, und dessen Verlängerung, die uns auch schon bekannt ist Spazg. 2,direkt auf die Venusbuche zuführt. Auch fernerhin läuft unser Weg, der den Namen »Tillescher, d. h. Tilledaer Weg« hat, von ganz geringen Biegungen und Richtungsänderungen abgesehen, noch auf eine sehr lange Strecke hin in einer Richtung weiter, die nur wenig von Norden abweicht. Ich werde deshalb erst dann auf eine Richtungsänderung aufmerksam machen, wenn dieselbe auffällig ist.

Noch nicht weit in den Wald hineingedrungen, sehen wir links einen schmalen Fußsteig schräg in den Wald hineingehen. Dieses ist der sog. »Dukatensteig«, der am Ostende der Luderwiese endigt, und dessen als Fahrwege ausgebaute Verlängerungen auf die Südostecke der Rathsfeldwiese, die sog. »Udersleber Ecke«, ausmünden.

Nicht weit hinter dem Anfange des Dukatensteigs beginnt unser Weg zu steigen und kreuzt bald darauf einen westöstlich verlaufenden Fahrweg, der für Touristen keine Bedeutung hat. Abermals ein Stück weiter aufwärts stoßen wir wieder auf einen Fahrweg, der dieselbe Richtung wie der vorige hat, und bemerken am Kreuzungspunkte zur Rechten einen Stein mit der Aufschrift »Morgenbrodstein«.

Dieser Weg führt in östlicher Richtung nach dem Dorfe Udersleben, in westlicher zur Kelbraer Chaussee, wo er zwischen den Kilometersteinen 4,0 und 4,1, grade gegenüber der Kniebreche, endigt. Spazg. 5
Vom Morgenbrodsteine ab geht es zunächst etwas bergab, bis nach kurzer Zeit wieder ein Weg gekreuzt wird, der nach rechts ziemlich östliche Richtung hat und bis zur östlichen Waldgrenze und zur Udersleber Feldflur führt. Links läuft er nordwestlich weiter bis zur Kelbraer Chaussee und mündet auf dieselbe in der Nähe des Kilometersteins 4,9 am unteren Ende des sog. Saustalls Spazg. 5Spazg. 5

 Von dieser Kreuzungsstelle ab gehen wir eine kurze Strecke ziemlich horizontal, dann aber steigen wir stark abwärts und gelangen bald in ein Thal, welches in nordwestlicher Richtung ansteigt und an der Südost- oder Udersleber Ecke der Rathsfeldwiese endigt. Nach rechts fällt es ab, hat ungefähr östliche Richtung bis zur Waldgrenze, biegt sich nach rechts und läuft aus auf den Fahrweg, der südöstlich bis zum Dorfe Udersleben führt.

Dies Thal ist deshalb interessant, weil in ihm und in seiner Nähe ein paar Quellen entspringen, an denen das Kyffhäusergebirge so arm ist; und wenn die Jahre nicht ganz besonders wasserarm sind, so fließt in dem Thal ein kleines Bächlein abwärts, das sich vorübergehend zu einer größeren Pfütze erweitert, woher der Name »Pfützenthal« seinen Ursprung hat. Das Wasser, welches sehr klar und weich ist, zieht das Wild herbei und daher kommt es, dass im September zur Brunftzeit im Pfützenthale und seiner Umgebung abends die Hirsche sich sammeln und einander durch lautes Gebrüll zum Kampfe herausfordern. Wer Glück hat. trifft es auch wohl, dass er hört wie sie mit dem Geweih kämpfend zusammenschlagen, was weithin hörbar ist. Überhaupt kann man zu dieser Zeit ohne viel Schwierigkeit nahe an die Hirsche herankommen, und es ist alljährlich für die Frankenhäuser und für etwa anwesende Fremde ein besonderes Vergnügen, an einem schönen, klaren, wenn möglich mondhellen Septemberabende hinaus in den Wald zu gehen und das Hirschbrüllen zu hören, was meistens schon in der Gegend des Morgenrodsteines möglich ist.

In neuester Zeit bekommt aber das Pfützenthal für Frankenhausen noch ganz besondere Wichtigkeit, denn man hat in ihm Schächte abgeteuft und so viel Wasser gefunden, dass man auf Grund des Fundes eine Aktiengesellschaft gegründet hat, die eine Wasserleitung bauen und die Stadt mit vorzüglichem Wasser zum Trinken, Kochen, zu technischen und sonstigen Verbrauchszwecken versorgen will. Sollte das Unternehmen gelingen, wozu große Aussicht vorhanden ist, so wäre das für Frankenhausen von überaus großer Bedeutung, denn unter welch' traurigen Wasserverhältnissen die Stadt, besonders in Bezug auf die Qualität desselben, leidet, kann nur der ermessen, der einige Zeit hier gewohnt und Gelegenheit gehabt hat, dieselben kennen zu lernen.

Bevor wir weitergehen, sehen wir noch einmal nach links und bemerken nicht weit von uns am Wege, den wir kreuzen, eine alte, große und prächtige Eiche, welche die »Fürsteneiche« genannt wird.

Dann geht es zwischen Laubwald zur Linken und jungem Nadelwald zur Rechten gradeaus weiter, mit starker Steigung den Berg hinauf, — jedoch nicht allzu lange, denn bald wird der Weg weniger steil, und wir können uns, langsam gehend, von der gehabten Anstrengung erholen.

Nun wendet sich der Berg etwas nach rechts und bekommt nordnordöstliche Richtung, die er wieder auf eine längere Strecke hin behält. In dieser Gegend ist der Wald wildreich und häufig bekommt man in dem lichten Hochwalde links vom Wege am hellen Sommernachmittage große Rudel von Hochwild zu sehen des ruhig äst und wenn es den herannahenden Spaziergänger bemerkt hat, nicht allzu schnell davonläuft, weil es ihn sehr wohl von dem Jäger zu unterscheiden weiß und auch ungefähr die Jahreszeit kennt, in welcher wenig oder gar keine Gefahr droht.

Noch eine kurze Strecke gehen wir, da kreuzen wir unter rechtem Winkel wieder einen Fahrweg, der rechts nach Udersleben zu, links unter mancherlei Biegungen nach dem Rathsfelde führt. In dem Fichtendickicht, das den nach Südosten zu verlaufenden Teil zu beiden Seiten besäumt, soll der Lieblingsaufenthalt der wilden Schweine sein, die in geringer Zahl seit etwa zehn Jahren in den Kyffhäuserwaldungen heimisch geworden sind.

Wir gehen, immer noch etwas ansteigend, weiter, wobei wir zur rechten Seite Nadelwald haben, während links sich eine Lichtung ausbreitet, die in neuester Zeit mit jungen Fichten bepflanzt ist, und gelangen nach kurzer Zeit zu einem breiten Fahrwege, der in schnurgerader Linie von Ostsüdost nach Westnordwest verläuft.

Wir überschreiten ihn und treten in dichten, düstern Nadelhochwald ein, durch welchen der Weg eine Strecke lang horizontal dahin führt, sich dann aber mit geringem Gefälle abwärts senkt. Am Ende des dichten Fichtenbestandes angelangt, kreuzen wir einen Fahrweg, der links nach Westen läuft, nach der rechten Seite sich aber gabelt und kommen jenseits desselben wieder in Laubwald. Von hier ab wendet sich d er Weg mehr nach rechts und bekommt nordöstliche Richtung, auch steigt er wieder etwas an.

Nachdem wir einige Minuten auf ihm fortgeschritten sind, bemerken wir links am Rande des Wegs einen Stein, der das Datum »19. Oktober 1884« trägt und meist mit einem Kranze geschmückt ist. Dieser Stein bezeichnet die Stelle, wo an dem angegebenen Datum ein Waldhüter von Wilddieben erschossen wurde. Die Gegend, in welcher wir uns jetzt befinden heißt das »Frauengrab«.

Wir gehen nicht sehr lange mehr, dann stoßen wir an einen Fahrweg. wenden uns ein paar Schritte nach links, überschreiten ihn und gehen jenseits auf einem Fußweg, wieder in den Wald hinein, um nach kurzer Zeit wieder zu einem Fahrweg zu gelangen, den wir kreuzen müssen.
Dieser Fahrweg ist der »Rennweg« welcher auf dem ganzen Kamme der östlichen Hälfte des Gebirges entlang läuft, an der Kelbraer Chaussee dicht unterhalb des Ententeiches in der Nähe des Kilometersteins 7,6 beginnt und beim Ichstedter Jagdhaus am Ostende des Gebirges endigt.

Haben wir den Rennweg überschritten, so sehen wir vor uns zwei Wege. Der eine, der etwas schräg nach rechts weiterführt, ist ein Fußsteig, auf dem man bergab nach dem Dorfe Tilleda kommt, weshalb ja auch der ganze Weg, den wir bis jetzt gegangen sind, der Tillesche oder Tilledaer Steig heißt.

Der zweite ist ein Fahrweg, welcher geradeaus in den Wald hineingeht und sich dann nach kurzer Zeit nach links biegt. Diesem Wege folgen wir, hüten uns jedoch auf rechts abgehende Seitenäste zu geraten, sondern gehen ihm nach, wie er sich links wendet, und bemerken nach wenigen Minuten vor uns auf der Höhe eine Holzhütte, auf die wir gerade zusteuern, und die wir gleich darauf erreichen. Wir befinden uns am Ziele unserer heutigen Wanderung, nämlich auf dem »Gitenkopfe«, und gehen in die mit einer Bank ausgestattete Schutzhütte hinein, um uns zu erholen und in aller Muße die wunderbar schöne Aussicht zu genießen, die sich unserm Auge darbietet.

Uns gegenüber erhebt sich nämlich, durch ein tiefes Thal von unserm Standpunkte getrennt, der Kyffhäuserburgberg, dessen Gipfel mit dem großartigen Denkmale gekrönt ist, das die Krieger ihrem verstorbenen Führer und dem Gründer des neuen deutschen Reiches, dem Kaiser Wilhelm I. gewidmet haben. Wir haben von hier aus eine Gesamtansicht des Denkmals, wie es keine schönere giebt — wundervolle photographische Aufnahmen von dieser Stelle sind in der Buchhandlung von C. Werneburg in Frankenhausen zu haben.

Wir sehen die Gewölbe, welche die große Ringterrasse tragen, deren Durchmesser 100 m beträgt; wir überblicken diese selbst sowie die zur zweiten Terrasse empor führenden Treppen und die Bogenhallen, welche den Burghof mit dem schlafenden Barbarossa abschließen. Wir erkennen die übrigen Treppen und die Hochterrasse, auf denen sich der massige und einen gewaltigen Eindruck machende Turm erhebt, dessen Abschluss oben die aus Stein zusammengefügte deutsche Kaiserkrone bildet. Auch die Reiterstatue des Kaisers ist deutlich sichtbar, jedoch bedürfen wir zur Erkennung der Einzelheiten eines Fernglases.

Links hinter dem Denkmal erhebt sich der alte sagenumwobene und dadurch weit über Deutschlands Grenzen hinaus berühmte Kyffhäuserturm, dessen Aussehen, wie aus alten Abbildungen hervorgeht, sich in den letzten vier Jahrhunderten nur wenig verändert hat. Eine kleine Strecke rechts vom Denkmal, etwas tiefer am Berge, erblickt man auch altes Gemäuer, die Überreste der Kyffhäuserkapelle und eines Klosters. Wo das Denkmal jetzt steht, befanden sich bis zum Bau desselben die Ruinen der eigentlichen Burg, die allerdings nur aus wenigen, zerfallenen Mauerresten bestanden.

Unter dem Denkmale fällt steil die hohe Wand eines alten Steinbruches ab, der früher Mühlsteine lieferte, in der Neuzeit aber bedeutend vergrößert ist und sowohl zum Denkmal wie zu der auf seiner Sohle erbauten Kyffhäuserwirtschaft, die wir samt ihren Gartenanlagen deutlich erkennen können, viel Material hat hergeben müssen.

Das Thal, das sich zwischen uns und dem gegen überliegenden Berge befindet, heißt das »Wolwedathal«. Dieser Name würde, wenn die Erklärung eines kürzlich verstorbenen, mit mir bekannt gewesenen Herrn zutreffend ist, denjenigen Recht geben, welche die Entstehung der Kyffhäusersage auf die alte deutsche Göttersage zurückführen. Danach bedeutet »Wol« soviel wie der Winterwodan, d. h. der schlafende, verborgene Wodan; »weda« bedeutet aber etwa das, was heute das Wort Heimat ausdrückt. Demnach hieße »Wolwedathal« so viel wie das Thal, das die Heimat oder der Aufenthalt des verborgen schlafenden Wodan ist.

Zu dieser Erklärung passt auch sehr gut die Bezeichnung desjenigen Teiles des Wolwedathales, der sich grade unter uns befindet und von da noch etwas nach Nordost erstreckt. Diese Gegend heißt nämlich »die heiligen Eichen« was darauf hindeutet, dass dort ein Heiligtum unsrer Vorfahren aus vorchristlicher Zeit gewesen ist, die ja bekanntlich ihre Götter in Hainen und unter alten, prächtigen Bäumen, besonders Eichen und Linden verehrten.

Was nun den Namen des Berges betrifft, auf dem wir stehen, so herrschen über dessen Ursprung verschiedene Ansichten; eins ist aber sicher, dass die durch den thüringer Volksdialekt verstümmelte Form »Jüdenkopf« auf keinen Fall irgendwelche Berechtigung hat. Einige leiten das Wort Gitenkopf von jötun ab, so dass der Name die Bedeutung »Riesenkopf« hätte, wozu allerdings auch die sehr alte Bezeichnung Wolwedathal passen würde. Andere bringen den Namen Gitenkopf in Verbindung mit dem spanischen Worte gitano, so dass er so viel bedeuten würde wie »Zigeunerberg«. Für diese Ansicht spricht der Name einer Quelle, die sich am Fuße des Berges im Wolwedathale befindet und »Taternborn« heißt, da bekanntlich die Zigeuner in vielen Gegenden Deutschlands »Tatern« genannt werden.

Welche von diesen Meinungen die richtige ist, lässt sich vorläufig nicht entscheiden. Besonders interessant ist es noch, dass neben drei anderen berühmten Örtlichkeiten das Wolwedathal wegen seiner Lage am Fuße des Kyffhäusers in Aussicht genommen ist, als Kampfplatz für noch einzuführende Nationalwettspiele nach altgriechischem Muster zu dienen, und dass der Schöpfer des Kyffhäuserdenkmals, Bruno Schmitz, schon einen Plan zu dessen Einrichtung ausgearbeitet und veröffentlicht hat. Sollte dieser Plan zur Ausführung kommen, so würde ein Werk entstehen, dem die großartigsten, ähnlichen Zwecken dienenden Bauwerke des Altertums nicht zur Seite zu stellen wären. Nach diesem Plane soll außer einem Platze von beträchtlicher Ausdehnung für Kampf- und Wettspiele auf dem Lande noch ein Teich von solcher Größe geschaffen werden, dass er für Schwimm- und Ruderwettspiele ausreicht; der Berghang des Gitenkopfes aber soll zu einem riesigen Amphitheater umgebaut werden.

Nachdem wir alles gesehen, uns erholt und auch mit dem Mitgebrachten leiblich erfrischt haben, machen wir uns auf den Heimweg.

Wollen wir bei dieser Gelegenheit auf dem Rathsfelde einkehren, so gelangen wir am sichersten dahin, wenn wir die kurze Strecke bis zum Rennweg zurückgehen und diesen dann nach Westen zu bis zum Ententeiche an der Kelbraer Chaussee verfolgen. Auf ihr gehen wir dann vom Kilometersteine 7,6 bis 5,9 weiter und gelangen so in 3/4 bis 1 Stunde vom Gitenkopfe bis zur Rathsfeldwirtschaft, von der aus wir einen der uns von früher her bekannten Wege Spazg. 5 bis zur Stadt zurück benutzen.
Haben wir aber die Absicht, sofort nach Frankenhausen heimzukehren, so gehen wir am besten den ganzen Weg zurück, auf dem wir gekommen sind

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