Kalkthal - Rudolfsteig - Hornungskapelle - Herrenweg - Venusbuche - Chaussee - Weiße Küche - Waldschlösschen - zurück nach Frankenhausen
Heute, lieber Freund, wollen wir, da es sehr heiß ist, wieder den Schatten des Waldes aufsuchen jedoch können wir, da Du am Morgen durch den Besuch des Konzertes in den Badeanlagen und durch eine oberflächliche Besichtigung der Stadt wohl Deine Kräfte nicht zu sehr angestrengt haben wirst, einen etwas weiteren Spaziergang machen.
Wir richten unsere Schritte wieder in das Kalkthal und verfolgen die Chaussee bis zum Kilometerstein 1.
Diesmal wenden wir uns aber rechts auf den Fahrweg, der in das Seitenthal führt, legen auf demselben jedoch nur wenige Schritte zurück bis zu der Stelle, wo links der Anfang des Forststeiges oder Rudolfsteiges sich befindet, der schon von der Chaussee aus sichtbar ist. In nordwestlicher Richtung steigen wir auf diesem Wege, eine Kiefern- und Lärchenanpflanzung durchschneidend, allmählich in die Höhe, wobei wir wiederholt zur Linken, über die Chaussee hinweg, einen Überblick über den Wilhelmsteig mit seinen Verzweigungen haben, und erreichen, bald nachdem die Steigung zu Ende ist, die Ecke des Berges, wo sich der Weg nach rechts wendet und auf eine weite Strecke hin ziemlich horizontal in nordöstlicher Richtung am Berghange entlang durch Buschwald weiter führt. Unten links bemerken wir am Fuße des Berges eine Zeit lang die Chaussee, die dann aber eine Biegung macht und nordwestliche Richtung annimmt, so dass wir sie von oben eine Strecke lang übersehen können.
An der Stelle, wo dies möglich ist, befindet sich eine Bank, von der aus man, wenn das Laub von den Bäumen abgefallen ist, auch hoch oben am Berge, oberhalb der Chaussee die Luisenbank bemerkt, deren Aussicht uns gestern erfreut hat. Die Höhe des in seinem oberen Teile kahlen Berges, der uns gegenüber, rechts von der Chaussee, liegt, wird von Hornungs Kapelle überragt; an seinem Hange bemerken wir einen, nach Südwesten zu, langsam ansteigenden Fußweg.
Wir setzen nun unsere Wanderung fort und gehen immer weiter am südöstlichen Hange eines schmalen Thales, welches sich in nordöstlicher Richtung erstreckt und den Klocksberg, an dem wir uns befinden, von den gegenüberliegenden Scheitsköpfen scheidet. Der Name dieses Thales ist sehr drastisch und der Derbheit der Volkssprache angemessen, aber nicht zur öffentlichen Mitteilung geeignet, selbst nicht in der Form, wie ich ihn neulich in einer Flora las, wo man ihn durch Fortlassung eines »ch« etwas salonfähiger zu machen versucht hatte. Nach einiger Zeit kommen wir, nachdem wir kurz vorher eine im dichten Schatten befindliche Bank passiert haben, aus dem Walde heraus und kreuzen das Thal in der Nähe seines oberen Endes, das als schmale Schlucht bald darauf auf die Hochebene des Schlachtberges ausmündet. Nach wenigen Schritten sind wir drüben am gegenüberliegenden Berge und sehen vor uns zwei Fortsetzungen des Weges.
Die eine führt allmählich bergab am Thalrande entlang in dichtem Gebüsch und mündet am unteren Ende des Thales auf die Chaussee, in der Nähe der rechtwinkligen Biegung derselben, beim Kilometerstein 1,5.
Wir folgen dem anderen Wege, der etwas mehr rechts in westsüdwestlicher Richtung langsam am Berge entlang ansteigt, bald die bewaldete Region verlässt und an dem steilen, nur mit dürftigem Graswuchse bedeckten, sonst aber kahlen grauweißen Gypsfelsen sich emporschlängelt.
Es ist dies der Weg, den wir schon vorher von der Bank drüben gesehen haben, wie wir denn auch jetzt deutlich den Weg erkennen können, den wir vorher zurückgelegt haben. Bald gelangen wir, während sich uns links und geradeaus vor uns fortwährend eine schöne Aussicht auf das waldbegrenzte Thal darbietet, an die Südwestecke des Berges. Der Weg wendet sich nun rechts um den Berg herum, und falls wir Lust hätten, die Aussicht in Ruhe länger zu genießen, so hätten wir die beste Gelegenheit, dies von einer Bank aus zu thun, die gerade unter Hornungs Kapelle aufgestellt ist.
Wir gehen aber weiter und gelangen bald auf die Westseite des Berges. Nachdem wir ein paar kleine Biegungen des Wegs hinter uns haben, geht rechts ein etwas ansteigender Seitenweg ab, der erst in einem Bogen südöstlich und dann in südsüdwestlicher Richtung geradeaus aufwärts, direkt auf die Nordostecke von Hornungs Kapelle zu führt.
Wir treten ein und haben vor uns eine prachtvolle Aussicht nach Süden zu, die derjenigen sehr ähnlich ist, die wir vorher von der gerade unter uns befindlichen Bank aus genossen haben, sie aber an Schönheit übertrifft, weil der Blick über die Berge hinaus in die Ferne schweifen kann.
Wir gehen nun wieder zurück bemerken aber nach wenigen Schritten, dass der Weg sich gabelt, denn außer demjenigen, der uns wieder an den Westabhang des Berges zurückführt, liegt vor uns ein anderer, der sich in nordöstlicher Richtung abzweigt.
Dieser letztere, der von kleinen Windungen abgesehen, in derselben Richtung weiterführt, erweitert sich bald dem Kamme des Berges entlang läuft, dann aber in großen Windungen am Hange entlang, bis zu einer Schlucht führt, die ostnordöstlich ansteigend ihn kreuzt und, vom Kreuzungspunkte ab fahrbar gemacht, in nordöstlicher Richtung weiter verlaufend, unterhalb von Schulzes Häuschen auf dem Plateau des Schlachtberges aus mündet. Von der Schlucht ab bekommt der Fahrweg erst nordnordwestliche und dann westsüdwestliche Richtung, macht sodann eine scharfe Biegung und führt nordöstlich weiter.
In der Nähe dieser Biegung werden wir auf ihn treffen, denn wir gehen an der vor uns liegenden Gabelungsstelle nicht rechts ab, sondern kehren auf den Rudolf- oder Forststeig zurück, auf der Westseite der Scheitsköpfe. In nordnordöstlicher Richtung weiter schreitend, und einmal einen großen Bogen nach rechts machend, kommen wir bald an eine Schlucht. Es ist dies dieselbe, die weiter aufwärts von dem eben beschriebenen Fahrweg gekreuzt wird.
Würden wir ihr abwärts folgen, so kämen wir in einen tiefen Graben, der die Chaussee begrenzt und gelangten eine Strecke in ihm entlang schreitend und an der Böschung aufwärts steigend, beim Kilometerstein 1.6 auf die Chaussee im Kalkthale, oberhalb der Biegung, die wir vorher von der ersten Bank am Rudolfsteige aus gesehen haben.
Aber wenn wir auch gar nicht die Absicht haben, in der Schlucht abwärts zu gehen sondern den Forststeig zu verfolgen gedenken, so sind wir hier dennoch vor eine Entscheidung gestellt, denn am gegenüberliegenden Berghang hat der Weg zwei Fortsetzungen.
Die zur Linken verläuft ziemlich horizontal, während der rechte Ast etwas ansteigt und oberhalb des anderen allmählich an dem Hange hinaufführt.
Der erstere verläuft eine große Strecke in südwestlicher Richtung, wendet sich dann kurz hinter einer Bank nach links und führt in einem großen Bogen um den Berg herum, wobei er sich allmählich senkt und bald darauf etwas oberhalb des Kilometersteins 1,9 und in der Nähe des Eingangs zum sog. Buchenwäldchen auf die Chaussee mündet.
Wir wählen die Fortsetzung zur Rechten, und steigen in westsüdwestlicher Richtung allmählich am Hange entlang empor, gehen dann am Ende des Berges in großem Bogen um denselben herum und gelangen auf eine Nordwestseite, wo wir, von einigen kleinen Hin- und Herbiegungen des Weges abgesehen, im Ganzen genommen in nordöstlicher Richtung weiterschreiten und nach einiger Zeit auf einen breiten Fahrweg kommen, auf denselben Fahrwege nämlich, auf dem wir schon in der Nähe von Hornungs Kapelle gelangen konnten, und dessen Verlauf bis zu dieser Stelle schon vorher beschrieben ist. Spazg. 2
Auch der Fahrweg führt noch eine ganze Strecke lang in nordöstlicher Richtung weiter, und von ihm aus haben wir wiederholt Gelegenheit, nach links über die Chaussee hinweg einen freien Ausblick auf den gegenüberliegenden Berg mit seiner Bewaldung zu genießen.
Dann biegt der Weg nach rechts in den Hochwald hinein, und nachdem wir abwechselnd östlich, nördlich und wieder östlich gewandert sind, mündet er mit einem kurzen Bogen nach links in einen schmalen Fahrweg ein, der von links in einer Schlucht heraufkommt und bald darauf seinerseits auf einen von Ostsüdost nach Westnordwest verlaufenden Fahrweg ausmündet.
Dieser Schluchtweg ist der sog. Herrenweg, er zweigt sich von der Chaussee in der scharfen Biegung ab, die sich wenige Schritte unterhalb des Kilometersteins 2,6 befindet.
Wir kreuzen den Herrenweg und gehen auf einem Fußwege fort, der den oberen Bogen des Herrenweges abschneidet und eine kurze Strecke westlich von der Ausmündung des letzteren auch auf den eben beschriebenen Fahrweg führt, auf dem wir in östlicher Richtung bald aus dem Wald herauskommen und nach Durchschreitung einer Wildgatterpforte an den nördlichen Rand des Schlachtbergplateaus hinter Schulzes Häuschen gelangen würden. Dicht vor der Ausmündungsstelle des Fußwegs gehen links zwei schmale Steige ab, der eine in westlicher der andere in westsüdwestlicher Richtung.
Der erstere, der rechte von beiden, führt allmählich bergab bis in einen kleinen Thalkessel, biegt dann nach links ab und führt in südlicher Richtung an dem sog. Schweizerhäuschen vorbei, auf die Chaussee, welche man in der scharfen Biegung unterhalb des Kilometersteines 2,7, am oberen Ende des Buchenwäldchens, erreicht.
Der zweite Fußweg geht mehr nach links, führt auch allmählich zu Thal und behält im Ganzen genommen seine westsüdwestliche Richtung bei, bis er an den die Chaussee begrenzenden Berghang gelangt. Hier biegt er scharf nach rechts um und führt, ein Stück parallel mit der Chaussee verlaufend, in nordwestlicher Richtung stark bergab, um dann an derselben Stelle auf sie zu münden, wo der andere auf sie stößt.
Wir lassen die beiden Fußwege unberücksichtigt und gehen auf dem Fahrwege weiter, der, von einigen schwachen Biegungen abgesehen, immer in westnordwestlicher Richtung ziemlich horizontal weiterführt. Nach einiger Zeit stoßen wir auf einen Fahrweg, der mit denjenigen, auf dem wir gekommen sind, rechte Winkel bildet, also von Nordnordost nach Südsüdwest läuft und nach der letzteren Richtung, d. h. nach links, bergab führt. Wir gehen geradeaus über ihn weg und erblicken jenseits eines Grabens, etwas nach rechts, eine alte prächtige Buche.
Betrachten wir uns die untere Partie ihres Stammes und die nach links verlaufenden Wurzeläste etwas genauer aus einiger Entfernung, also z. B. vom diesseitigen Grabenrande aus, so bemerken wir, dass die genannten Theile große Ähnlichkeit haben mit der unteren Hälfte eines weiblichen Körpers in halbliegender Stellung. Der Bauch und die übereinandergeschlagenen Beine mit allen einzelnen Theilen bis einschließlich des Fußes sind deutlich zu erkennen. Wegen dieser eigenthümlichen Bildung hat der Baum den Namen »Venusbuche« erhalten und ist darunter hier in der Gegend allgemein bekannt.
Wir wenden uns nun zur Heimkehr südwärts, da sehen wir, dass der Fahrweg sich gleich unterhalb der Venusbuche gabelt.
Der linke Weg führt steiler bergab und zwar ganz gerade in fast südlicher Richtung bis zur Chaussee, auf welche er zwischen den Kilometersteinen 2,8 und 2,9 mündet.
Wir gehen auf dem nach rechts sich abzweigenden Fahrwege weiter, welcher mit weit geringerem Gefälle in südwestlicher Richtung verläuft. Auf ihm gelangen wir, durch einen schönen Birkenbestand fortschreitend und weiterhin an Gestrüpp von Schlehen und wilden Rosen vorbeigehend, in wenigen Minuten bis zur Chaussee, welche wir dicht unterhalb des Kilometersteines 3,2 erreichen. Wir kreuzen sie und gehen gerade gegenüber wieder in den Wald hinein.
Den Fahrweg, welcher abwärts führt und dann nach rechts umbiegt, lassen wir rechts liegen und gehen auf dem Fußwege weiter, der in südwestlicher Richtung am Rande eines Bestandes von jungen Fichten und Kiefern, die ihn zur Linken besäumen, entlang läuft, wobei wir einen Weg kreuzen, der von links herauf kommt und auf der rechten Seite in den eben genannten Fahrweg von seiner Biegungsstelle einmündet. Nach kurzer Zeit gelangen wir wieder in den Laubwald, wo der Weg schluchtartig wird, da er auf beiden Seiten bis zu Manneshöhe und darüber von hellem, grau und weiß gestreiften Gypsfelsen begrenzt und eingeengt wird. Eine kurze Strecke geht es nochmals schwach bergan, dann aber senkt sich der Weg ganz allmählich und stetig, wodurch die Schlucht tiefer, und die Gypsfelswände zu belden Seiten höher werden.
Nicht weit hinter der höchsten Ansteigung des Weges, in der Nähe des Forstgrenzsteines N1/N3 der auf der Wegseite die falsche Bezeichnung N4 trägt, kreuzen wir einen schmalen Fußweg.
Dieser führt nach links zum Fürstenplatz, einem schönen Aussichtspunkte, den wir bei nächster Gelegenheit besuchen werden, während die Fortsetzung nach rechts der Chattenburger Weg ist, dessen Schönheiten wir auch noch kennen lernen werden.
Die Schlucht, in welcher wir weiter wandern, und zwar von dem Kreuzungspunkte ab in südsüdöstlicher Richtung, führt wegen der weißen Farbe ihrer Felswände sowie wegen der hohen Temperatur, welche im Sommer während der letzten Vormittags- und der ersten Nachmittagsstunden in ihr herrscht, den Namen »Weiße Küche«.
Nach wenigen Minuten sind wir an ihrem Ende angelangt und stehen, nachdem wir noch eine kurze Entfernung auf dem links von Fichten, rechts von prächtigem Buchenhochwald begrenzten Wege zurückgelegt haben, vor derselben Pforte des Wildgatters, welche wir gestern durchschritten haben. Vor uns liegt das Thal, rechts das Waldschlösschen und links geht es zur Luisenbank und zum Wilhelmsteig; wir haben also die Wahl zwischen zwei uns bekannten Wegen, um zur Stadt zurück zu gelangen.