Kalkthal - Wilhelmssteig - Amindensruh - Waldfrieden - Buchenwäldchen - Schweizerhäuschen - Helenensruh - Stilles Glück - Waldschlösschen - zurück nach Frankenhausen
Da wir verabredet haben, heute Abend zum Abonnementskonzert der städtischen Kapelle zu gehen, so wollen wir uns heute mit einem kleineren Spaziergange begnügen und die Gelegenheit benutzen, wieder einen Teil der schattigen Waldwege in der Nähe kennen zu lernen.
Wir schlagen wieder den uns schon bekannten Weg in das Kalkthal ein und verfolgen ihn bis zum Kilometersteine 1. Diesmal gehen wir links ab und steigen langsam auf dem Wilhelmsteige aufwärts, den wir auf unserm ersten Spaziergange kennen gelernt haben. Wir folgen ihm bis zu der Gabelung, die eine Strecke hinter der Jennybank und westlich von dieser sich befindet, Spazg. 1gehen diesmal aber nicht links bergauf nach dem Hexentanzplatze, sondern wählen den nach rechts sich abzweigenden und horizontal verlaufenden Weg. Den Biegungen desselben folgend, wobei wir auch wieder an einer Bank vorbeikommen, gelangen wir, um eine weit nach Osten vorspringende Ausbuchtung des Berges herumgehend, bald darauf an einen kleinen kanzelartigen, mit Schutzgeländer versehenen, Bergvorsprung, wo eine einfache aus Latten angefertigte Bank zum Sitzen einladet.
Dieses schöngelegene Plätzchen ist Amindensruh, von dem aus wir einen schönen Blick auf das Kalkthal und seine Umgrenzung haben, eine Aussicht, die derjenigen vom Hexentanzplatz aus sehr ähnlich, aber wegen der niedrigeren Lage der Amindensruh natürlich enger begrenzt ist.
Von diesem Platze aus führen drei Wege weiter. Der linke steigt ziemlich steil in die Höhe, ist etwas verfallen und wenig betreten und mündet bei einer Bank auf den nach dem Hexentanzplatz führenden Steig.
Der zur Rechten geht abwärts bis an den Fuß des Berges, wo er sich gabelt. Der eine Ast mündet auf die Chaussee, wo sie eine Biegung nach Nordost macht, der andere läuft mit ihr parallel unten am Berghang entlang und endigt auf ihr bei den sog. »12 Aposteln«, wie man die aus Sandstein bestehenden Prellsteine nennt, die sich an der folgenden scharfen Biegung der Chaussee nach Nordwesten befinden. Deren Anzahl hat übrigens seit langen Jahren nicht zwölf betragen, denn es waren früher nur elf, während man jetzt dreizehn zählt.
Wir schlagen auf unserem Spaziergange von Amindensruh aus den mittleren Weg ein, der eine Strecke lang ein geringes Gefälle hat und in großen Biegungen den Ein- und Ausbuchtungen des Berges folgt. Da wo der letzte Bogen zu Ende ist, und der Weg ungefähr östliche Richtung angenommen hat, bemerken wir einen schmalen Steig, der von links und hinten her den Berg herunterkommt, unsern Weg unter einem sehr spitzen Winkel schneidet und dann weiter bergab verläuft.
Dieser Steig beginnt beim Hexentanzplatze und ist derselbe, den wir seinerzeit Spazg. 1 zur Rechten liegen ließen, als wir von dem genannten Platze nach der »Hohen Linde« gingen, weil er bergab führte. Er mündet auf den vorher beschriebenen Weg, der unten am Hange entlang parallel mit der Chaussee läuft.
Wir schreiten auf unserem Wege weiter, der von einigen kleinen Biegungen abgesehen, ziemlich östliche Richtung hat. Der Hang über uns zur Linken ist ziemlich kahler Gypsfels, neben und unter uns zur Rechten bewegt ein schwacher Windhauch leise die überaus beweglichen Blätter eines aus Erlen oder Zitterpappeln bestehenden Gebüsches. Nach kurzer Zeit treten wir bei einer Biegung nach links, die zugleich durch eine Bank gekennzeichnet ist, in dichteres, schattiges Gehölz ein, verlassen dasselbe jedoch nach wenigen Schritten wieder und gehen dann an dem ziemlich kahlen Hange entlang in nordöstlicher Richtung, also parallel mit der Chaussee, weiter bis zur Nordostecke des Berges.
Hier geht ein schmaler Steig ziemlich steil abwärts zum unteren Wege und zur Chausseebiegung bei den »12 Aposteln«.
Wir wenden uns mit dem Wege nach links und betreten von dieser Ecke ab das Gebiet des Hochwaldes; im Schatten prächtiger Buchen führt der Weg ziemlich parallel mit der unseren Blicken durch dichtes Laubwerk und junge Fichten entzogenen Chaussee, die hier nordwestliche Richtung hat, weiter. Bald aber senkt sich der Weg, das Unterholz verschwindet, und zur Rechten wird die Chaussee sichtbar, vor uns aber sehen wir einen aus rohen Fichtenstangen errichteten, achteckigen, offenen Pavillon mit einem großen Tische in der Mitte und an der Wand entlang laufenden Bänken. Dieser von hohen Buchen beschattete Ruheplatz hat den Namen »Waldfriede«, einen Namen, wie man ihn schöner und zutreffender hätte kaum finden können.
Wir benutzen nicht den nächsten, rechts abbiegenden Weg zur Chaussee, sondern gehen geradeaus fort, wobei wir uns ihr immer mehr nähern; noch einmal wenden wir uns, nachdem wir ihren Rand schon beinahe erreicht haben, etwas nach links, um dann in einem flachen Bogen, an einer Bank vorbeigehend, die Chaussee da zu erreichen, wo sie sich eben nach Norden gebogen hat.
Diese Stelle befindet sich eine kurze Strecke unterhalb des Kilometersteines 1,9. Kaum drei Schritte haben wir auf der Chaussee gemacht, da wenden wir uns wieder links in den Wald hinein und stehen gleich darauf vor dem Wildgatter, in dem sich hier eine Pforte befindet. Nach Durchschreitung derselben sehen wir vor uns zwei Wege, von denen der eine bergauf, der andere zunächst etwas abwärts führt.
Den ersteren lassen wir heute links liegen und wählen den letzteren. Ihm folgend wandeln wir, den Berg zur Linken und die Chaussee zur Rechten habend, fortwährend unter schlanken, hohen Buchen dahin; es kommt uns fast so vor, als ob wir uns in einem Parke befänden.
Diese Partie des Waldes, einer der schönsten Spaziergänge in der Nähe der Stadt, wird hier allgemein kurzweg das »Buchenwäldchen« genannt und wird von Alt und Jung an warmen Sommerabenden, sowie an Sonn⸗ und Festtagen gern aufgesucht, um dort Erholung zu finden. Im Frühling ist hier der Waldboden ein wahrer Blumenteppich, und vom März ab bis in den Juni hinein lösen die verschiedeneu Frühlingsblumen einander ab in solchen Mengen wachsend, dass man in kurzer Zeit einen schönen Strauß pflücken kann.
Wie uns der Augenschein lehrt, verläuft der Weg immer ziemlich parallel mit der Chaussee und zwar in so geringer Entfernung von ihr, dass man an vielen Stellen durch die Bäume hindurch die vorbeirollenden Wagen sammt ihren Insassen deutlich sehen kann. Wir gehen ziemlich horizontal fort, denn die Steigung ist eine sehr geringe und kaum merkbar, bis der Weg sich stark nach links biegt, wo sie etwas stärker wird, ohne aber anstrengend zu sein. An dieser Stelle steht eine große Anzahl besonders schön gewachsener und hoher Buchen, die das Auge jedes Naturfreundes erfreuen.
Bald darauf sind wir am Ende des Buchenwäldchens angelangt und betreten die Chaussee in der Nähe des Kilometersteins 2,7.
Gerade gegenüber geht der Weg wieder in den Wald, direkt auf einen achteckigen, offenen Pavillon zu, der sich wenige Schritte jenseits des Chausseegrabens befindet.
Das ist das sog. »Schweizerhäuschen« eine Bezeichnung, deren Entstehung Jedermann unklar bleiben wird, der die so getaufte Waldhütte vor sich sieht, die mit ihrer Patin auch nicht die entfernteste Ähnlichkeit besitzt. An dieser Stelle münden die beiden Fußwege auf die Chaussee, die am oberen Ende des Herrenweges ihren Anfang nehmen Spazg. 2 den einen sehen wir rechts von ihr am Berghange abwärts verlaufen.
Von hier aus führen auch zwei Fußsteige, der eine links, der andere rechts am Schweizerhäuschen vorbei in ungefähr nördlicher Richtung durch den Wald bergauf, die sich später vereinigen und deren gemeinsame Ausmündung auf einen uns schon bekannten Fahrweg in der Nähe der Ecke erfolgt, der gegenüber die Venusbuche steht.
Wir gehen, nachdem wir uns so über die Umgebung orientirt haben, ein Stückchen auf der Chaussee, deren Steigung hier deutlich bemerkbar wird, weiter und erfreuen uns bei der nächsten Biegung nach rechts an dem Anblick einer prächtigen Eiche, die auf einem kleinen freien Platze links von der Chaussee außerhalb des Waldes steht. Nur wenige Schritte weiter biegt links ein Fußweg ab, der in einem Bogen allmählich von der Chaussee weg und in den Wald hineinführt.
Diesem folgen wir und kommen an einer Gruppe von Bänken vorbei, die rechts vom Wege steht und den Namen »Helenensruh« trägt. Bald darauf sind wir wieder in dichtem schattigen Wald, haben auch vorübergehend mal etwas Nadelholz zur Linken, nähern uns dann einem steilen Hange der rechts einige Meter hoch ansteigt, während links der Berg sich allmählicher aber immer noch ziemlich steil abdacht.
Darauf überschreiten wir auf einer leichten, aus Fichtenstangen zusammen gezimmerten und unter unseren Fußtritten etwas schwankenden Brücke einen tiefen Wasserriss, der im Sommer meist trocken zu liegen pflegt. Im Frühjahr, während und kurz nach der Schneeschmelze, stürzt aber ein kleiner Wasserfall von dem Hange herunter und fließt unter der Brücke hindurch in dem grabenartigen, vom Wasser aufgewühlten Risse zu Thal, und daher ist es wohl gekommen, dass irgend ein mit sehr reger Phantasie begabter Jemand, die Brücke scherzweise die »Teufelsbrücke« genannt hat, welcher Name ihr dann geblieben ist.
Eine kurze Strecke weiter treffen wir auf einen Weg, der uns entgegen von unten links herauf kommt und, weiter nach rechts bergauf führend, bald darauf den Fahrweg erreicht, der das Waldschlösschen mit der Chaussee verbindet. Dieser Weg ist derselbe, den wir unten beim Eingang zum Buchenwäldchen gleich hinter der Wildgatterpforte, links liegen gelassen haben. An der Kreuzungsstelle sehen wir vor uns ein paar Stufen, welche wir hinauf steigen, um dann auf einem kleinen Plätzchen anzugelangen, das durch ein einfaches Geländer geschützt und mit Tisch und Bänken versehen ist.
Dieser Ruheplatz heißt »Das stille Glück« und wird wegen seiner schönen Aussicht viel und gern von Einheimischen und Fremden aufgesucht. Man hat einen herrlichen Blick in das mehrfach gewundene Kalkthal und die Berge beiderseits; durch die Lücke, welche sie zwischen sich lassen, hindurch, wird aber auch ein Teil der Stadt mit ihrem bergigen Hintergrunde sichtbar.
Wer an einem schönen Sonntagmorgen im Frühling oder Sommer hier sitzt, wenn in die von der Sonne bestrahlte und blumengeschmückte Waldeinsamkeit hinein das Singen und Zwitschern der Vögel aus der Nähe und das volle Geläute der Glocken von der Stadt herdringt, der wird, falls er nicht ganz verbissen oder blasiert ist, mehr oder weniger fühlen, dass der Ort seinen schönen Namen verdient.
Bild: Sammlung Regionalmuseum
Wir gehen nun auf dem Wege am Hange entlang weiter, kommen nochmals an einer Bank, über der wir den Namen »Johannas Ruh« lesen, vorbei und gelangen bald darauf auf einen Fahrweg, nachdem wir wenige Schritte vorher einen verfallenen und nicht mehr begangenen steil herabführenden Fußweg zur Linken liegen gelassen haben.
Der Fahrweg ist derselbe, von dem vorher schon die Rede gewesen ist; er biegt in der Nähe des Kilometersteins 3 von der Chaussee ab und dient dem Wagenverkehr nach dem Waldschlösschen.
An der Stelle, wo wir ihn betreten haben, zweigt sich auf der gegenüberliegenden Seite ein Fußweg ab, der durch einen jungen Kiefernbestand hindurch allmählich bergauf verläuft. Diesen Weg näher kennen zu lernen, behalten wir uns, da unsere Zeit es uns heute nicht mehr erlaubt, für das nächste Mal vor und schreiten auf dem Fahrwege in südwestlicher Richtung weiter, bis wir nach Zurücklegung einer kurzen Strecke vor der uns wohlbekannten Wildgatterpforte hinter dem Waldschlösschen stehen. Ein Marsch von einer guten Viertelstunde bringt uns von hier ab über den Galgenberg hinab bis zur Stadt zurück.