Weg nach der Rothenburg:
Frankenhausen - Rathsfeld - Kelbraer Steig - Rothenburg u. zurück
Heute ist die Rothenburg unser Ziel, deren Besuch uns bei dem letzten Spaziergange wegen der vorgeschrittenen Tageszeit nicht mehr möglich war. Der Weg dorthin ist etwa ebenso lang wie der nach dem Kyffhäuser.
Auf einem der früher durchwanderten und uns daher schon bekannten Wege gelangen wir bis zum Rathsfelde und benutzen von da ab die Chaussee bis in die Nähe des Kilometersteins 7,1, wo links ein breiter Weg, der anfangs fahrbar ist, sich von der Straße abzweigt und unter einem spitzen Winkel zu derselben ein Stückchen bergab führt.
Es ist dieser Weg der »Kelbraer Steig«, der am Anfang durch eine Tafel des Harzklubs gekennzeichnet ist, auch weiterhin an verschiedenen Gabelungsstellen auf gleiche Weise markiert und an einer großen Zahl dazwischenliegender Punkte durch weiße, an den Bäumen angebrachte Flecke kenntlich gemacht ist, so dass man sich bei auch nur geringer Aufmerksamkeit nicht gut verirren kann.
Wir durchschreiten das Thal des Entenbachs, steigen darauf die sogenannte Kelbraer Kniebreche hinan und passieren ein sumpfiges Terrain, das nur in außerordentlich trockenen Sommern vorübergehend seinen Charakter verliert und eine kleine Lichtung bildet. Weiterhin führt uns der Weg zuerst in nordnordwestlicher und dann in nordwestlicher Richtung durch schönen Buchenwald, vorübergehend wird jedoch auf der letzteren Strecke der Weg an der rechten Seite durch ziemlich jungen Fichtenwald begrenzt, über welchen hinweg das trigonometrische Signal (heutiger Standort Fernseh- u. Richtfunkturm, J.S.) sichtbar wird, welches den höchsten Punkt des Kyffhäusergebirges (466 m) weithin kenntlich macht.
Von der Besteigung der in der Höhe befindlichen Aussichtsplatte des Signals muss ab geraten werden, da dasselbe nicht immer die genügende Sicherheit bietet, dass der es Besteigende mit heiler Haut und gesunden Gliedern auf dem Erdboden wieder anlangt.
Wir lassen das Signal zur Rechten liegen und kommen bald darauf zu einer Gabelung des Weges.
Der linke nordwestlich weiter verlaufende Ast führt nach den »Altendorfer Klippen«, einem schönen, von Kelbra aus viel besuchten Aussichtspunkte mit Schutzhütte; der rechts abbiegende, fast nördliche Richtung annehmende Weg ist derjenige, den wir einschlagen müssen.
Beim Weitergehen überschreiten wir die »Rote See«, ein muldenförmig vertieftes Terrain, dessen Sohle durch eine wenig durchlässige Schieferthonschicht von roter Farbe gebildet wird, woher es kommt, dass sich hier das Wasser ansammelt und mit geringen Unterbrechungen während des ganzen Jahres größere Pfützen bildet.
Dieser Wasserreichtum und die sumpfige Beschaffenheit der Gegend sowie die rote Farbe des Bodens haben ihr den eben angegebenen Namen verschafft. Auf dieser Strecke unseres Weges ist der Wald wiederholt sehr licht, auch kreuzen wir einen breiten Fahrweg, der schnurgerade beinah westöstlich läuft, an seinem östlichen Ende beim Kilometersteine 8,9 in die Chaussee einmündet und eine Strecke weit nach Westen sich in zwei Äste teilt, von denen der südliche der nach den »Altendorfer Klippen« führende Weg ist.
Wir gehen, ohne die Richtung zu ändern, weiter und stoßen bald darauf wieder auf einen Weg, der ebenfalls westöstliche Richtung hat. Von hier ab verschmälert sich unser Weg, und auf einem Fußsteige gelangen wir, nördlich gehend, bald darauf in die Nähe der Chaussee, neben welcher entlang, aber hoch über ihr am Berghange, wir weiter schreiten, wobei wir an einer Stelle vorbei kommen, von der aus wir einen prächtigen Ausblick auf die Rothenburg haben.
Zur Linken wird wiederholt die Aussicht auf das dichtbewaldete Dannenbergsthal frei, an dessen hohem Westhange die Chaussee sich in vielen Windungen abwärts nach Kelbra schlängelt; unten tief in der Ebene sehen wir das Städtchen selber, das noch vor wenigen Jahren in ganz Deutschland einzig dastand, weil seine Bürger nicht nur keine Kommunalsteuern zu bezahlen brauchten, sondern zum großen Teile noch jedes Jahr aus der städtischen Kasse bares Geld bekamen als ihren Anteil an den gemachten Überschüssen. Im Hintergrunde wird das ganze Bild abgeschlossen durch den Harz, insbesondere durch den Brocken mit seiner Umgebung.
So gehen wir am Berghange weiter, bis der Weg sich senkt und kurz oberhalb des Kilometersteines 9,9 in die Chaussee einmündet.
Genau der Einmündungsstelle gegenüber geht der durch einen Wegweiser kenntlich gemachte Fahrweg nach der Rothenburg rechts von der Chaussee ab.
Anmerkung des Verfassers:
Hier muss bemerkt werden, dass in der »Touristenkarte des Kyffhäusergebirges von Weise« ein arger Fehler enthalten ist, denn der dort rot gezeichnete Kelbraer Steig mündet nicht bei 9,9 auf die Chaussee, sondern bei der viel weiter südlich und tiefer gelegen scharfen Biegung der Straße von Süd nach Nordwest. Es fehlt das Stück des Fußsteigs, das parallel mit der Chaussee, aber hoch oberhalb derselben, verläuft.
An der linken Seite desselben ist ein mehr oder weniger steiler Berghang, der nach dem Dannenbergsthal abfällt, weshalb an den gefährlichsten Stellen Schutzbarrieren errichtet sind; an der rechten Seite wird der Weg durch eine ziemlich hohe und steile Böschung begrenzt, die zumeist aus einem grobkonglomeratischen Sandstein von roter Farbe besteht, der an einigen Stellen graugestreift erscheint. Nach einer längeren Strecke biegt sich der bis dahin im Ganzen nordwestlich verlaufende Fahrweg unter einem rechten Winkel nach rechts und bekommt nordöstliche Richtung, macht bald darauf wieder eine Biegung nach links und teilt sich in zwei Äste.
In den nach rechts sich abzweigenden Ast, der in einem Bogen durch die nordöstliche Richtung in die östliche übergeht, mündet grade an der Stelle, wo der Bogen zu Ende ist, der beim vorigen Spaziergange Spazg. 7 erwähnte Weg, der vom Kyffhäuser am Nordhange des Gebirges entlang bis zur Rothenburg führt. Diese Stelle und der Weg sind jetzt durch eine Tafel mit Inschrift kenntlich gemacht. Wir wenden uns an der Gabelunggsstelle nach links und gelangen, nachdem wir kurze Zeit in nordwestlicher Richtung weiter geschritten sind, zu dem Ausspannplatze der Rothenburg, von wo ein kurzer, leicht ansteigender Fußweg und eine aus wenigen Stufen bestehende Treppe zur Wirtschaft und zu der Burgruine führen.
Nachdem wir uns genügend erholt und an Speise und Trank gelabt haben, schreiten wir zur Besichtigung der wenig umfangreichen Ruinen, die sich wenige Schritte oberhalb der Wirtschaft befinden und hauptsächlich aus einem teilweise eingestürzten, runden Turme von beträchtlichem Umfange und 10 bis 12 m Höhe, sowie aus dem rechteckigen Ritterhause und der Kapelle bestehen.
Die Umfassungsmauern des Ritterhauses sind ziemlich gut erhalten, so dass man noch deutlich die zwei Stockwerke unterscheiden kann, die ursprünglich vorhanden waren. Die übrigen Räume sind stärker verfallen und bieten Interessantes dar.
Nördlich von der Ruine und dicht hinter derselben ist ein sehr schöner Aussichtspunkt, von dem man den größten Teil der Goldenen Aue und den sie nach Norden zu abschließenden Harz überblickt. Grade gegenüber liegt der Auerberg mit der Josephshöhe und die Queste. Etwas nach links ist bei einigermaßen gutem Wetter der Brocken deutlich sichtbar, auf dem man meist mit bloßem Auge Turm und Brockenhaus erkennen kann. Noch weiter nach links in der Ebene erblickt man bei klarer Luft die Türme von Nordhausen, und nahe dem Fuße der Rothenburg breitet sich Kelbra mit Altendorf aus.
Die vielen Ortschaften zu nennen, die in dem fruchtbaren Thale der Helme zerstreut liegen, würde zu weit führen; eine Anzahl derselben ist durch die deutlich sichtbare Eisenbahnlinie Nordhausen-Sangerhausen, einer Teilstrecke der Halle-Kasseler Bahn, mit einander verbunden. Besonders bemerkenswert sind als Stationen für das Kyffhäusergebirge: Berga und Roßla.
Die Rothenburg ist um das Jahr 1100 erbaut und hat im Laufe der Jahrhunderte auffällig oft die Besitzer gewechselt. Im Jahre 1576 kam sie endgültig an die Schwarzburger. Schon zu dieser Zeit war sie im Zerfallen, ist aber noch lange nachher bewohnt gewesen.
Zur Heimkehr benutzen wir denselbeu Weg, den wir heraufgekommen sind, wobei wir Gelegenheit haben, auf dem Rathsfelde oder dem Waldschlösschen Station zu machen, falls wir Lust dazu haben.