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Spaziergang 9

Weg nach der Barbarossahöhle

Was meinst Du, lieber Freund, wenn wir zur Abwechslung, nachdem wir hintereinander drei größere Spaziergänge auf die Berge unternommen haben, heute zur Erholung einen kleineren auf ziemlich ebenen Terrain machten? Du stimmst zu? Nun gut, dann wollen wir heute der Falkenburger- oder Barbarossahöhle einen Besuch abstatten, der viel Interessantes bietet.

Du fragst, ob diese Höhle ebenso schön wäre wie die Baumanns- und die Hermannshöhle in Rübeland am Harz, die Du kennst, und ob sich die Sache lohne.
Das sind Fragen, die sich nicht leicht beantworten lassen, denn ein Vergleich zwischen den beiden Rübeländer Höhlen und der Barbarossahöhle lässt sich nicht gut ziehen, weil jene beiden in ganz anderem Gesteine entstanden sind als diese, auch die Entstehungsgeschichte der in ihnen vorhandenen Gebilde eine ganz verschiedene ist. Die beiden Harzhöhlen sind Tropfsteinhöhlen mit Gebilden, die aus kohlensaurem Kalk oder Calciumkarbonat bestehen; unsre hier ist eine durch Auswaschung des Gesteins entstandene Gypshöhle, und zwar ist es der ältere Gyps oder Anhydrit, in dem sie sich gebildet hat.
Demnach ist der ganze Charakter der beiden Rübeländer Höhlen und der Barbarossahöhle so verschieden, dass ein Vergleich nicht möglich ist, und eine Entscheidung in Bezug auf die Schönheit nicht getroffen werden kann.

Wir gehen zum Angerthore hinaus und folgen dem uns bekannten Fußwege Spazg. 4 der an der Wipper entlang an der Kinderheilanstalt vorbei führt, bis zu der Stelle, wo er der Chaussee sehr nahe kommt, und eine Brücke die Verbindung zwischen ihm und der Straße bildet. Wir überschreiten die Brücke bei der »Krummen Spitze«, wie die Stelle genannt wird, und wandern auf der Sondershäuser Chaussee weiter, auf welcher uns zunächst eine Strecke lang Zwetschenbäume, später aber Kirschbäume von zum Teil respektabler Größe einigen Schatten spenden.

Nicht lange dauert es, da bemerken wir zur Linken eine kleine Öbsterbude, vor welcher eine Frau einen ganzen Korb voll frischgepflückter, weiß- und hellrotbackiger Dankelmänner, wie hier diese Kirschsorte heißt zum Verkauf bereit stehen hat, welche Gelegenheit Frauen und Kinder meist zu benutzen pflegen, während das erwachsene männliche Geschlecht die süße Frucht gewöhnlich nicht beachtet, weil deren Genuss sich nicht mit dem des Bieres vereinbaren lässt, das ihr als Mittel zum Löschen des Durstes viel lieber ist und auch am Eingange zur Hohle nicht fehlt.

So gehen wir immer weiter, wobei wir die Teichmühle zur Linken liegen lassen, bis dahin, wo die Chaussee sich unter einem rechten Winkel nach links biegt und nach dem Dorfe Rottleben, das wir schon lange vor uns liegen sahen, hinein führt. Hier verlassen wir die Chaussee und gehen auf dem Fahrwege weiter, der die Verlängerung derselben bildet und ungefähr nordwestliche Richtung hat.
An dieser Stelle befindet sich, von schattigem Gebüsch umgeben, ein Denkstein, der zum Andenken an das fünfzigjährige Regierungsjubiläum des Fürsten Günther zu Schwarzburg-Rudolstadt im Jahre 1864 aufgestellt ist.

Diesen Denkstein lassen wir zur Linken und schreiten auf dem angegebenen Wege, der rechts von einer hohen Böschung begrenzt wird, weiter.

Nach einer kurzen Strecke zweigt sich rechts, in der Nähe eines Kalkofens, ein Fahrweg ab, der sich in einem flachen Bogen nach rechts biegt, ein Stück ziemlich nördlich verläuft und sich in zwei Äste gabelt, von denen der linke zu den Rottleber Steinbrüchen führt, während der rechte später nach Nordosten sich wendet, in dem Thale zwischen den Herrenköpfen ansteigt und weiterhin durch prächtigen Buchenwald verläuft, bis er kurz unterhalb der Rathsfeldwiese, in der Nähe des Kilometersteins 5,3, auf die Kelbraer Chaussee einmündet. Spazg. 5
Das ist der nächste Weg zwischen der Barbarossahöhle und dem Rathsfelde, der auch für Wagen benutzbar ist.

Wir lassen ihn zur Rechten liegen und gehen, ohne irgend einen der noch weiterhin rechts und links sich abzweigenden Wege zu beachten, auf dem Fahrwege weiter, der in ungefähr westlicher Richtung weiter führt und auf eine Strecke hin von Obstbäumen besäumt wird.

Dabei passieren wir die in geringer Entfernung unten links im Thalgrunde liegende Wippermühle und nähern uns den weiter ab links und nahe zusammen liegenden
Mühlen, der Loh- und der Falkenmühle. An der Stelle, wo der von diesen beiden Mühlen herkommende Fahrweg links in unseren Weg einmündet, wendet sich dieser nach rechts und führt in ziemlich nördlicher Richtung direkt auf den ursprünglichen Eingang der Barbarossahöhle zu, der in diesem Jahre (1897) noch benutzt wird und allen früheren Höhlenbesuchern wohlbekannt ist.

Infolge von Differenzen zwischen dem Besitzer der Höhle einerseits und den Besitzern des Zugangsstollens und der Gemeinde Rottleben, welcher der Grund und Boden vor dem Eingange gehört, andererseits hat sich der Baron von Rüxleben, der den Besitz der Höhle durch einen langwierigen Prozess erstritten hat, entschlossen, einen neuen Zugangsstollen von seinem Grundstücke aus in den Berg zu treiben und in der Nähe des neuen Einganges eine Wirtschaft zu errichten, um von der Gewerkschaft Kyffhäuser und der Gemeinde Rottleben vollkommen unabhängig zu sein. Um zu dem zukünftigen Eingange zu gelangen, gehen wir noch die kurze Strecke um den nächsten Bergvorsprung herum und wir sind am Ziele.

Bevor wir in die Höhle eintreten, ist es nötig, dass wir uns erst gehörig abkühlen, denn in ihr ist es sehr kühl, und ein sofortiger Besuch der Höhle könnte üble Folgen für die Gesundheit haben. Da verbinden wir denn das Nützliche mit dem Angenehmen und löschen zugleich auch unsern Durst der sich nach dem Wege eingestellt hat.

Bei dieser Gelegenheit sehen wir uns auch ein bisschen die Gegend an, und dabei fällt uns nach Westen zu besonders das Dorf Bendeleben mit seinem schiefen Kirchturme ins Auge. Wie in Rottleben, so ist auch in Bendeleben ein großes Gut und wie dort in Privatbesitz, jedoch ist der zum Schlosse gehörige Park von viel größerer Ausdehnung und wegen seiner Schönheit und Eigenart in unsrer Gegend berühmt. Der Besuch desselben ist Fremden gestattet und sehr zu empfehlen.

In der Höhle überlasse ich die Führung und Erklärung dem Führer; auch eine Beschreibung der Barbarossahöhle von E. Schönau ist erschienen, die sehr lesenswert ist und in interessanter und leicht fasslicher Weise nicht nur das Innere der Höhle und ihre Sehenswürdigkeiten schildert, sondern auch Geschichtliches und sonst Wissenswertes enthält. Wenn Du jedoch ein bleibendes Andenken haben willst, so kaufe Dir einen vor der Höhle, wie auch bei C. Werneburg in Frankenhausen käuflich zu habenden Gegenstand aus ihrem Stein, man hat davon Aschbecher, Knaulbecher, Briefbeschwerer, Schalen und alles mögliche andere angefertigt.

Nachdem wir die Höhle besucht haben, klettern wir oben auf den Berg, wo gerade über der Höhle noch einige wenige Mauertrümmer von geringer Ausdehnung vorhanden sind. Dies sind die letzten Überreste von der Falkenburg, einer Raubritterburg, die um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts zerstört ist und nach der die Falkenmühle und die Höhle, die ja auch »Falkenburger Höhle« heißt, ihren Namen haben.

Nun haben wir alles Wichtige gesehen und machen uns auf den Heimweg, der in etwa einer Stunde bequem zurückgelegt wird.

 

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