Erinnerung an ein Ereignis vor nunmehr 190 Jahren
Der Verlauf der Geschichte bringt es nun einmal mit sich, dass sich historische Ereignisse, ob erfreuliche oder unerfreuliche, immer wieder einmal jähren. Jahrestage bieten sich daher hervorragend dafür an, sich damaliger Ereignisse zu erinnern. In unregelmäßigen Abständen möchte deshalb das Stadtarchiv die Spalte »Historisches aus dem Stadtarchiv« dafür nutzen, auf historisch interessante Jahrestage hinzuweisen. Heute sei an den Brand in Bad Frankenhausen im Jahre 1833 erinnert.
Für uns heute kaum noch vorstellbar, führten Brände in der Vergangenheit sehr häufig zur Vernichtung überdurchschnittlich großer Teile eines Ortes. Frankenhausen und das damals noch selbständige Dorf Seehausen wurden davon im Jahre 1833 betroffen. Insbesondere in Franken¬hausen prägte sich dieser Brand ins Bewusstsein der Einwohner ein, war er doch seit dem 16. Jahrhundert die schlimmste Brandkatastrophe, von der unsere Stadt heimgesucht wurde.
Es war der 15. Februar, als gegen 20 Uhr im Haus Kantor-Bischoff-Platz (damals noch Unterkirchplatz genannt) Ecke Klosterstraße (heute Eisdiele Schütze) ein Feuer ausbrach. Seitens der Bewohner des Hauses konnte der Brand nicht unter Kontrolle gebracht werden. Hinzu kam an diesem Abend ein starker Wind aus südwestlicher Richtung, im Frankenhäuser Volksmund früher der »Göllinger Wind« genannt. Er fachte das Feuer erst richtig an.
Mit ungeahnter Geschwindigkeit breitete sich der Brand in nordöstliche Richtung über die gesamte Stadt aus. Nach und nach ergriffen die Flammen eine Vielzahl der Häuser in der unteren Kloster¬straße, August-Zierfuß-Straße, Querstraße, Ratstraße, Martinigasse, Schlossstraße, auf dem Marktplatz, der Krame, der Rittergasse, der Engen Gasse, der Mühlgasse, der Erfurter-, Post- und Bornstraße. Erst in der Frauenstraße gelang es den Löschenden, den Brand »unter Kontrolle« zu bringen. Wer zu Beginn des Brandes aus der Oberstadt den Be¬troffenen in der Unterstadt zur Hilfe geeilt war, stand nach seiner Rück¬kehr nicht selten vor seinem eingeäscherten Haus. Insgesamt waren fast 170 Gebäude den Flammen vollständig zum Opfer gefallen. Viele weitere wiesen nicht unerhebliche Beschädigungen auf.
Über die Höhe der Schadensumme gibt es unterschiedliche Angaben. Sie schwankt zwischen 160.000 und 200.000 Thaler. Allein das damals bedeutende Gewerbe der Wollhändler bezifferte die wirtschaftlichen Verluste auf mehr als 200.000 Thaler. Zu den völlig zerstörten Gebäuden musste auch das nach historischer Überlieferung im Jahre 1444 erbaute Rathaus gezählt werden. Das Rathaus selbst war mit einem Wert von 3.550 Reichsthalern versichert worden. Eine genaue Schadensumme ließ sich schon damals nicht ermitteln, denn die Versicherungswerte beziehen sich auf die Angaben der Versicherungsgesellschaften und diese entsprachen oftmals nicht den realen Werten. Viele Leute waren ent-weder unter- oder gar nicht versichert. Selbst die Stadt hatte das Rathaus nur minimal versichern lassen, denn schon allein die Glocke des Rathausturmes soll einen Wert von bis zu 700 Talern besessen haben.
An eine koordinierte Brandbekämpfung war nicht zu denken gewe-sen. Einerseits wurde das Spritzenhaus, dass einen Versicherungswert von 150 Taler aufwies und von den Stadtvätern nur unzureichend ausgestattet worden war, ein Raub der Flammen, andererseits waren die zum Feuerlöschen eingeteilten und verpflichteten Frankenhäuser durch das Ausmaß der Feuersbrunst völlig überfordert. In nur wenigen Stunden waren die Menschen um ihr Hab und Gut gebracht. Es herrschte Obdachlosigkeit und Nahrungsmangel.
Die Brandgeschädigten wurden vorübergehend in den wenigen, nicht beschädigten öffentlichen Gebäuden untergebracht. Ein in aller Eile gegründetes Hilfsbüro organisierte aus den umliegenden Ortschaften Lebensmittel und bat die dortigen Gemeindevorstände um Aufnahme von Brandopfern. Glücklicherweise trafen innerhalb kürzester Zeit Geld- und Sachspenden aus ganz Thüringen ein. Um den schnellen Wiederaufbau zu fördern, gewährte der Landesherr, Fürst Friedrich Günther von Schwarzburg-Rudolstadt, den Brandopfern einen mehrjährigen Steuererlass.
Gleichzeitig erließ die fürstliche Landesregierung in Rudolstadt ein neues Baugesetz und eine überarbeitete Feuerschutz- sowie Feuerversicherungsordnung. Jeder Bürger war nun verpflichtet, sein Eigentum ansprechend zu versichern. Die Anordnung, die neu zu errichtenden Häuser in Stein und nicht wie bisher in Holz auszuführen, konnte schon wegen der Vermögenslage der Bauherren nicht eingehalten werden. Dafür wurden in bestimmten Abständen Brandmauern zwischen den Gebäuden eingefügt.
Die Vernachlässigung des Spritzen- bzw. Feuerwehrhauses blieb für die Stadtväter nicht ohne Folgen. Der Fürst setzte eine Untersuchungskommission ein und seine Minister erteilten Rügen. Geld zu einer Neuausstattung hatte aber auch der Landesvater nicht. Eine Begleiterscheinung des Rathausbrandes war die teilweise Vernichtung von Beständen des Stadtarchivs. Vernichtet worden waren in erster Linie die historisch wertvollen Urkunden und die Aktenbestände in den Dienstzimmern. Sie umfassten die Zeitspanne vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zum Tag des Brandes. Eine Lücke, die man anschließend versuchte dadurch zu schließen, indem Überlieferungen aus dem Gedächtnis niedergeschrieben oder im Archiv der Landesregierung in Rudolstadt Abschriften wichtiger Dokumente angefertigt wurden.
Kein anderer Stadtbrand hat die Historiker so in ihren Bann gezogen wie dieser. 1908 erarbeitete Archivrat Gerd Freiherr von Ketelhodt eine umfassende Übersicht über alle zerstörten Gebäude und ihre Eigentümer. Anhand seiner schriftlichen Vorlagen fertigte 1912 Maurermeister Adolf Förderer einen Übersichtsplan der zerstörten Stadtteile. Anlässlich der 100jährigen Wiederkehr des Brandtages führten die Frankenhäuser am 15. Februar 1933 einen Gedächtnismarsch durch.
Dr. Ulrich Hahnemann
Literatur- und Quellenangaben
Stadtarchiv Bad Frankenhausen: Bestand 1/11 A -
Gemeindeverwaltung: Nachlass Freiherr von Ketelhodt;
Bestand: 1/XI - Feuerwehr Nr. 51, 52 und 53 und
Bestand: 1A/a - Armenwesen Nr. 195 -199.