Beitrag aus dem Frankenhäuser Wochenblatt 2008
Der spätere Superintendent Friedrich Adolf Martini war der Initiator zur Gründung einer Kinderbewahranstalt in unserer Heimatstadt Frankenhausen. Nach dem Vorbild einer solchen Einrichtung in Nordhausen musste der neue Gedanke verbreitet und Finanzierende gefunden werden. Martini versuchte die neuen Wege der Erziehung und Bildung mit der christlichen Lehre zu paaren.
Die Vorstellungen Friedrich August Fröbels, einem Pfarrerssohn aus Oberweißbach, von einer freien Entwicklung und Selbstlernen der Kinder in Vorschuleinrichtungen gingen seit 1836 durch unser Land und durch Europa. Neue Ideen zu Spielmaterialien und der Umgang mit denselben sollte Einzug in seine Kindergärten halten. Kindergarten ist ein von Fröbel geprägter Ausdruck für eine moderne Kindereinrichtung.
Zur Verwirklichung der Ideen von Martini wurde das Gebäude am Jungfernstieg, Ecke Schlossstraße angekauft und am 5.02.1847 seiner Bestimmung als Kinderbewahranstalt übergeben, während derartige Einrichtungen in Preußen und Sachsen verboten wurden. Nicht nur das Haus sondern die gesamte Gartenfläche stand den Kindern zur Verfügung. In Verlängerung des niedrigeren Gebäudeteiles befand sich eine Halle zur Unterstellung von Spielgeräten sowie eine Wagenremise an der westlichen Grundstücksgrenze und Brandmauer. Auf dem Nachbargrundstück stand damals eine Scheune und danach das 1855 von Zimmermeister Ferdinand Hohne für Salomon Volkland beantragte und gebaute Fachwerkhaus, später von W. Rose übernommen. 1
Bereits nach fünf Jahren des Bestehens trägt sich Martini mit den Gedanken, die Anstalt wegen Finanzierungsproblemen zu schließen. Das für die Unterbringung und Verpflegung zu zahlende geringe Entgelt war bei weitem nicht kostendeckend. Unterstützungen von Fürst Friedrich Günther , dem Wollhändler Karl Hornung, Geh. Kammerrat Leukhardt und nicht zuletzt Landkammerrat Wilhelm Schall sicherten den Fortbestand der Einrichtung. 2
Die erste Pflegemutter in der Bewahranstalt war Friederike Vonnoh geb. Blau, deren Arbeit Friederike Hankel (Tochter des Gerichtsangestellten) 1847 bereits übernimmt. Wenn Martini bei allen Überlegungen von 20 Kindern ausgegangen ist, waren ständig 60 - 80 und in Ausnahmefällen sogar 112 Kinder untergebracht.
Trotz aller Probleme erfüllte die Anstalt den Inhalt einer Elementarschule bis 1885. Als erster Lehrer trug der Kantor Gebicke wesentlich zum Gelingen dieses hohen Anspruchs mit bei. Im Alter von 60 Jahren verstarb 1872 Martini. Er schrieb in einem Bericht über die Kinderbewahranstalt, dass es ein Werk der Liebe sein soll. Die Anstaltsleitung übernahm Finanzrat von Bamberg.
In den Folgejahren waren Instandhaltungs- und Werterhaltungsarbeiten an der Gebäudesubstanz unumgänglich. Wieder standen wohlhabende Bürger unserer Stadt zur Seite, um die Kinderbewahranstalt am Leben zu erhalten.
Schließlich konnte 1897 das 50-jährige Bestehen gebührend gefeiert werden. Neben den Töchtern Helene und Johanna Martini, nahmen u. a. Wilhelm Schall, Minna Hankel, Olga Hundt, Käthe Salzmann, Mary Jane Schall, Elly Werneburg, Margarethe Muth sowie der Vorstand der Anstalt (Oberamtmann August Hornung, Oberpfarrer Hesse, Geh. Regierungsrat A. Klipsch, Sanitätsrat Dr. Graf, Bürgermeister Henschkel und Achidiakonus W. Salzmann) teil.
Mit den vorhandenen Mitteln konnte 1901 die Halle von 8 m x 5 m im Spielgarten errichtet werden. 3
Im Oktober 1904 wurde die Baugenehmigung für den Neubau einer Kinderbewahranstalt erteilt. Zeichnung und Ausführung lag in der Hand des Baumeisters C. Reichenbach, der den Bau am 7.09.1905 die Fertigstellungsmeldung überbrachte. 4
Der Altbau der Anstalt wurde in späteren Jahren von O. Steinhäuser und danach dessen Schwiegersohn bewohnt und der Flachbau als Schlosserei und Schmiede genutzt.
1 Kinderbewahranstalt mit Seitengebäude,
2 Hallenüberdachung,
3 Remise,
4 Scheune,
5 Wohnhaus,
6 erst 1905 erbaute Kinderbewahranstalt
Bild: Eckhard Pförtner
Während mit dem Wachstum der Einwohner unserer Stadt noch weitere Kindergärten nach 1950 entstanden, blieb die Kinderbetreuung in der Schlossstraße stets erhalten. In den Zeiten der DDR wurde das frühere Vorwerk hinter der Domäne durch Baumaßnahmen der Knopfindustrie für die Durchfahrt gesperrt und die Freifläche dadurch erweitert. Nach der Wende, d. h. 1995, erhielt der Bau als Werterhaltung eine komplett neue Dacheindeckung. Die Sanitäranlagen, Spielfläche im Freien und die Ausstattung der Gruppenräume z. T. konnten in den Folgejahren erneuert und verbessert werden.
Heute befindet sich der Kindergarten Sonnenschein in Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt und ist für 69 Plätze zugelassen und ausgelastet. Die Kinder werden auf vier Gruppen verteilt und können täglich von 6 - 17 Uhr unter Aufsicht spielen und werden verköstigt. Das Essen wird von der AWO bereitgestellt.
Möge die traditionsreiche Entwicklung der Einrichtung zum Wohle der Kinder auch in der Zukunft würdig fortgesetzt werden. Letztendlich ist die Kinder- und sogar Schulkinderbetreuung bedeutsam für die Entwicklung eines Menschen, dessen Charakter in dieser Zeit beeinflusst und geprägt wird.
Mit einem Zitat von Fröbel, dem Vater der Kindergärten, soll dieser kurze Abriss beendet werden.
Der Men iſt nit aein auf der Welt, die ganze Außenwelt iſt Gegenſtand ſeines Erkennens und Miel zu ſeiner Entwilung und Ausbildung.
Eckhard Pförtner
Quellennachweis
- Stadtarchiv Bad Frankenhausen, Bauakten des Fürstlich- Schwarzburgischen Landratsamtes Frankenhausen, 1/ VIII - 9
- Stadtarchrv Bad Frankenhausen, Jubiläumsalbum 1847 -1897, 1/V-381
- Stadtarchiv Bad Frankenhausen, Bauakten des Fürstlich-Schwarzburgischen Landratsamtes Frankenhausen, 1/ VIII - 40
- Stadtarchiv Bad Frankenhausen, Bauakten des Fürstlich-Schwarzburgischen Landratsamtes Frankenhausen, 1/ VIII - 50